Ozeki, Ruth - Die leise Last der Dinge

Ozeki, Ruth - Die leise Last der Dinge

Veröffentlicht am 22.08.2023

Eine Universalgeschichte aus der amerikanischen Vorstadt.

„Jede Leidenschaft grenzt ja ans Chaos, die sammlerische aber an das der Erinnerung“, dieses Zitat Walter Benjamins ist Ruth Ozekis zweitem auf Deutsch erschienenen Roman vorangestellt. Walter Benjamins Gedanken zum Sammeln („Ich packe meine Bibliothek aus“) und Jorge Luis Borges‘ Idee einer „Universalbibliothek als Welt in der Welt“ waren wohl maßgebliche Impulse für den Roman der Autorin, Filmemacherin und Zen-Priesterin. Der englische Originaltitel bringt eher auf den Punkt, wo Ozekis philosophische Heimat liegt: „The Book of Form and Emptiness“.

Ausgehend von der Geschichte des 14-jährigen Benny Oh, der in den frühen 1990er Jahren seinen Vater Kenji, einen Jazz-Klarinettist, auf tragische Weise verliert, zoomt sie in eine amerikanische Vorstadt. Benny lebt dort mit seiner Mutter Annabelle, die beide nach dem Verlust des Vaters und Partners auf unterschiedliche Weise mit der Trauer umgehen. Während Benny sich immer mehr zurückzieht, versucht Annabelle den gemeinsamen Alltag wieder herzustellen. Doch die studierte Bibliothekswissenschaftlerin ist mit den Zeichen der Zeit konfrontiert und erlebt persönlich, wie sich die Welt der Printmedien durch den digitalen Wandel verändert. Sie arbeitet für einen Clippingdienst und bald heißt es Heimarbeit, tägliche Zeitungslieferung inklusive, die sich nach und nach im Haus stapeln.

Bennys Trauerprozess führt dazu, dass es ihm so scheint, als sprächen die Dinge zu ihm. So beginnt für Mutter und Sohn eine Odyssee durch die amerikanische Sozialpsychiatrie und das Gesundheitssystem, die schließlich bei einem Zenpriester endet. „Was ist eine Geschichte, bevor sie in Worte gefasst wird? Reine Erfahrung, würde ein buddhistischer Mönch vermutlich antworten. Pure Existenz. Das unfassbare und unbegreifliche Gefühl eines jungen, der seinen Vater verloren hat.“

Aus der amerikanischen Vorstadt über den Wandel der Arbeitswelt, den Opfern der Digitalisierung, dem amerikanischen Gesundheitssystem, Bildungsbenachteiligung und Schulsystem, dem Umgang mit psychischen Erkrankungen im Jugendalter, den Fragen nach Realität und Fantasie, Glaube und der Sehnsucht nach Sinn und Heilung verbindet Ozeki nach und nach die Fäden ihrer Universalgeschichte.
Julie August

Ozeki, Ruth - Die leise Last der Dinge
München: Eisele 2023. 688 S. - fest geb. : € 26,80 (DR) ISBN 978-3-96161-143-0 Aus dem Engl. von Petra Post

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