Bakker, Gerbrand - Der Sohn des Friseurs

Bakker, Gerbrand - Der Sohn des Friseurs

Veröffentlicht am 09.01.2025

Roman um einen skurrilen Einzelgänger.

„Schneiden und rasieren, essen und trinken, schwimmen. Toter, unbekannter Vater, leicht hysterische Mutter. Nie einen festen Freund gehabt. Vielleicht allzu einfach eine Arbeit gefunden, sie ist ihm in den Schoß gefallen. Natürlich war er auf der Friseurfachschule, aber wollte er Friseur werden?“ Simon lebt in Amsterdam und hat den Friseursalon seines Großvaters übernommen.

Seine Mutter ist alles andere als begeistert von der Berufsentscheidung des Sohnes. Hätte doch auch einmal ein Schwimmprofi aus ihm werden können. Mehr ist von dieser gescheiterten Schwimmkarriere nicht zu erfahren. Sein Vater, Cornelis, ist angeblich bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Sein damaliger Praktikant war auch auf den Flug auf die Kanaren gebucht. Cornelis ist jedoch nach dem Zwischenhalt nicht mehr an Bord der Maschine gegangen. Genaueres erfahren die Lesenden auch hier nicht.

Simon lebt allein über dem Friseursalon „Chez Jean“, der Name des Großvaters. Sein Leben läuft in routinierten Bahnen, vier Kunden am Tag genügen und drei Mal in der Woche geht er ins nahegelegene Schwimmbad. Ab und zu hat er Männerbesuch, die mehr oder weniger begeistert sind von den Bildern seiner Schwimmidole, unter anderem Alexander Popov, die die Wände seiner Zimmer zieren. Seine Kundschaft, unter ihnen auch ein Schriftsteller, beobachtet er genau, berührt sie bewusst an gewissen Stellen meist ganz beiläufig, ohne dass diese es merken.

Und hier beginnt es erstmals unheimlicher zu werden. Als Simon seiner Mutter, die eine Gruppe von kognitiv beeinträchtigen Jugendlichen beim Schwimmen betreut, aufgrund eines Ausfalls helfen muss, begegnet er Igor, der ihn an sein Schwimmidol Popov erinnert und in ihm ein befremdliches Begehren weckt und auch den Leser beunruhigt zurücklässt. Auch diese Geschichte wird nicht zu Ende erzählt. Simon lebt scheinbar durch und von den Geschichten seiner Kunden.

Als der Schriftsteller, es ist unschwer der Autor selbst darin zu erkennen, einen Roman über einen Friseur zu schreiben plant, beginnt der Beobachtende zum Beobachteten zu werden und sich auch auf die Spur seiner eigenen Geschichte zu machen. Und er findet heraus, dass ein gewisser Carlos auf einer anderen kanarischen Insel einen Friseursalon betreibt. Zu einer guten Geschichte gehört es, rechtzeitig aufzuhören, so der Schriftsteller zu seinem Friseur Simon. Ob sich die schriftstellerische Strategie ausgeht, sei den Lesenden überlassen. Bakkers einsame Figuren haben jedenfalls einen weiteren skurrilen Einzelgänger dazubekommen.
Julie August

Bakker, Gerbrand - Der Sohn des Friseurs
Roman. Berlin: Suhrkamp 2024. 285 S. - fest geb. : € 26,50 (DR) ISBN 978-3-518-43158-0 Aus dem Niederländ. von Andreas Ecke

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