Bong, Jörg - Die Flamme der Freiheit

Bong, Jörg - Die Flamme der Freiheit

Veröffentlicht am 13.04.2023

Die deutsche Revolution 1848/1849

Als am 24. Februar 1848 in Paris nach 1789 zum dritten Mal Revolution gemacht, die Monarchie gestürzt und die Republik ausgerufen wird, springt der revolutionäre Funke nun auch über den Rhein. In den 34 deutschen Staaten und vier freien Städten der Zeit beginnen Aufstände gegen die herrschenden Polizei- und Militärmonarchien, gegen die Willkürherrschaft des „Deutschen Bundes“. Erstmals soll die Demokratie auch in deutschen Ländern direkte, allgemeine Wahlen, eine Republik, eine freiheitliche Verfassung, Grundrechte, Gewaltenteilung und sozialen Ausgleich bringen. Es beginnt also der Kampf für jene Werte, die für uns heute scheinbar selbstverständliche Grundlagen unseres Gemeinwesens sind.

Doch lediglich nur eine Partei der Opposition will die „ganze Revolution“, eine „demokratische Bundesrepublik“. Die Liberalen, vor allem die „Konstitutionellen“ (die sich bald „Ordnungspartei“ nennen) wollen doch an der Monarchie festhalten, wenn auch in reformierter Form. Und sie, die Ordnungspartei und die neuen Märzregierungen, sind es, die mit den Fürsten die Revolution schließlich mit Bajonetten verhindern.

In seinem großartigen neuen Buch entwirft der Literaturwissenschaftler Jörg Bong ein wahrlich atemberaubendes Panorama einer Zeit im Umbruch: Von den ersten revolutionären Versammlungen Ende Februar bis hin zu den Schlachten einer demokratischen „Armee der Freiheit“ gegen die Truppen des Bundes. In einer großen Erzählung setzt er den Freiheitskämpfern und -kämpferinnen (denn es waren auch etliche Frauen darunter) von 1848/49 ein Denkmal. Zu den Menschen, denen es der Literaturwissenschaftler und Publizist widmet, gehören etwa Carl Schurz oder Emma und Georg Herwegh, zwei seiner Hauptpersonen, ein Literatenpaar, das leidenschaftlich für die Demokratie eintrat. Emma fasste das Schicksal der fremdbestimmten Bürgerfrauen in dem Satz „Morgens Nichts, Mittag Nichts und Abends wenig“ zusammen und konnte mit der Pistole schießen. Ihren damals berühmten Gatten schildert Bong so: Er ist „ein hochgewachsener Mann von feingliedriger Eleganz, hat schulterlanges Haar, eine Denkerstirn und einen kultivierten vollen Bart. Bestimmt und sanft zugleich, enthusiastisch und nachdenklich“.

Herwegh traf Heinrich Heine schon 1841 in dessen Pariser Exil, und der Dichter schrieb ihm hübsche Zeilen, aus denen sich viel Skepsis erkennen lässt, ob dieses Deutschland, das ihn, Heine, außer Landes getrieben hatte, wahrhaftig fähig sei zu einer Revolution gleich jener französischen von 1789. Heine sollte Recht behalten: Die deutsche Revolution von 1848 begann furios, ließ die Fürstenthrone wanken, doch sie endete resigniert.

Es ist ein fesselndes, ein mitreißendes Buch, und übrigens erst der erste Band einer Revolutions-Trilogie, die 2024 abgeschlossen sein soll. Jörg Bong nimmt die Leser mit ins Geschehen wie auf einer Kamerafahrt, vom ersten bis zum letzten Satz bleibt er eng an seinen Protagonisten. So versteht man die Zeit aus sich heraus, ohne ihnen heutige Kriterien und Haltungen überzustülpen. Ein meisterlich erzähltes Buch, leider über eine große deutsche Tragödie, die naturgemäß auch auf Österreich große Auswirkungen hatte.

Florian Richter

Bong, Jörg - Die Flamme der Freiheit

Die deutsche Revolution 1848/1849. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2022. 560 S. - fest geb. : 29,90 (GE) ISBN 978-3-462-00313-0