Ditlevsen, Tove - Böses Glück

Ditlevsen, Tove - Böses Glück

Veröffentlicht am 31.07.2023

Das Dilemma selbstbestimmter Weiblichkeit in reichen Kontrasten. 

Die große dänische Autorin Tove Ditlevsen wurde im deutschen Sprachraum erst vor wenigen Jahren mit ihrer grandiosen Trilogie „Kindheit“, „Jugend“ und „Abhängigkeit“ wiederentdeckt. Diese noch während eines Psychiatrieaufenthalts entstandenen und zwischen 1968 und 1971 veröffentlichten autobiografischen Romane schilderten gnadenlos die Brüchigkeit des Menschseins. Ihre Trilogie mit dem konsequent geschilderten mühsamen Weg in die Autonomie, der Befreiung von ihrer einfachen Herkunft, ersten Erfolgen als Autorin und dem Absturz in die Sucht gilt als frühes Beispiel für autofiktionales Schreiben. Und nun werden auch einige ihrer anderen Werke übersetzt.

„Böses Glück“ heißt der klug komponierte Band, in dem 15 Erzählungen aus zwei im Original 1952 und 1963 erschienenen Sammlungen zusammengestellt sind. Auf engstem Raum, oft nur in ein paar Zeilen, werden Milieu, Lebensideale, zerstobene Träume vermittelt. Eine Menge von Gefühlen, die meistens nicht formulierbar sind, hält die Figuren in Schach. Egal, ob Frauen, Männer oder Kinder, alle leiden unter etwas, das sie nur sehr undeutlich wahrnehmen.

Mit ihrem Gespür für zwischenmenschliche Abgründe versteht sich Tove Ditlevsen glänzend auf die Schilderung von Aggressionen und deren zerstörerischer Kraft. Familienbindungen werden nie idealisiert, im Gegenteil. Zwar pflegen viele der Mütter, Kinder und Väter enge Beziehungen zueinander, dennoch funktionieren Ehe und Elternschaft ganz und gar nicht, sondern erinnern eher an Schlachtfelder.

Ditlevsen gelingen immer wieder Szenen, die das Dilemma selbstbestimmter Weiblichkeit in reichen Kontrasten auf den Punkt bringen. Der Band „Böses Glück“ enthält beeindruckende Erzählungen und Familienaufstellungen und gibt darüberhinaus auch Einblick in die Textwerkstatt Tove Ditlevsens.
Christine Hoffer

Ditlevsen, Tove - Böses Glück
Storys. Berlin: Aufbau 2023. 172 S. - fest geb. : € 20,90 (DR) ISBN 978-3-351-03952-3 Aus dem Dän. von Ursel Allenstein

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