Dutzler, Herbert - Die Welt war voller Fragen

Dutzler, Herbert - Die Welt war voller Fragen

Veröffentlicht am 13.06.2024

Roman über eine kleingeistig enge, dörfliche Kindheit.

Ein heranwachsender Bub voll Wissensdurst bringt durch gezielte Fragen so manche Vertreter der Erwachsenenwelt in Rage! Nachzulesen in diesem Buch. Nach „Die Welt war eine Murmel“ nimmt Herbert Dutzler seine Leserschaft neuerlich auf eine teils ungemein unterhaltsame, aber auch manchmal sehr nachdenklich stimmende Zeitreise in die 60er Jahre mit.

Der nunmehr erwachsene Siegfried räumt nach dem Tod seiner Mutter das Elternhaus und stößt dabei zufällig auf eine Fülle alter Fotos, Spielsachen und Ziergegenstände aus seiner und seiner Schwester Kindheit. Dank dieser Begegnung mit der Vergangenheit öffnet sich langsam der Schleier des Vergessens und des bewusst Verdrängten. Nach und nach lebt „Sigi“ episodenhaft Erinnerungen aus seinem Leben inmitten einer kleingeistig engen, dörflichen Kindheit aus.

Da sind sie wieder! Der Vater. Ein aufbrausender Haustyrann, ganz im Sinne seiner Zeit und gesellschaftlichen Einstellung. Engstirnig, was sein Frauenbild betrifft, ein nicht zu bremsender Pofler, stets umgeben von gedankentrübenden Rauchschwaden und Bierdunstwolken. Von Beruf Eisenbahner. Ein „Roter“ obendrein! Die Mutter. Sie begehrt auf, denkt und lenkt ihre Gedankenwelt bereits in eine neue, moderne und für Frauen lebenswertere Zeit. Sie sucht sich entgegen aller Widerstände Arbeit in der örtlichen Apotheke, um vom Mann unabhängig zu sein und um über eigenes Geld verfügen zu können. Absolviert den Führerschein, um mobil zu sein und setzt auch einen Autokauf durch, was zu unzähligen ehelichen Zerwürfnissen und Skandalen führt, zumal sie plötzlich auch von der Männerwelt betrachtet und umgarnt wird.

Ja, und da spielen auch noch untrüglich Sigis Kalamitäten mit dem zickigen Schwesterherz, diverse Erlebnisse mit den Großeltern aus Dorf und Stadt und nicht zuletzt Probleme in der Gymnasialzeit, in der Sigi immer wieder durch seine unbedachten Fragen auffällt, in die filmreife Erinnerungs- und Gedankenwelt hinein. Etwa die Auseinandersetzungen mit dem stets aufbrausenden Herrn Pfarrer oder der völlig ausufernde Skandal mit einem nationalsozialistisch geprägten und ewiggestrig denkenden und handelnden Professor. Nicht zuletzt aber beschäftigen den Buben bedrückende Fragen über einen bislang totgeschwiegenen Onkel Franz, einen dunklen Fleck der Familiengeschichte, von dessen Existenz Sigi zufällig bei einem heimlich geführten Gespräch zwischen Familienmitgliedern erfuhr.

Ich kann dieses Buch vorbehaltlos zur Lektüre empfehlen. Es umfasst alle Anforderungen, die ein unterhaltsames, tiefgreifendes und teilweise aufrüttelndes Leseerlebnis garantieren.
Adalbert Melichar

Dutzler, Herbert - Die Welt war voller Fragen
Roman. Innsbruck: Haymon 2023. 284 S. - fest geb. : € 23,50 (DR) ISBN 978-3-7099-8195-5

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