Geiger, Arno - Das glückliche Geheimnis

Geiger, Arno - Das glückliche Geheimnis

Veröffentlicht am 16.03.2023

Der Autor und sein Doppelleben

Eines gleich vorweg: Ich liebe die Erzählart Arno Geigers, wie er sie schon beispielsweise in seinen Romanen „Alles über Sally“ (Hanser, 2010) und „Der alte König in seinem Exil“ (Hanser, 2011) praktiziert hat, über alle Maßen. Sein fast beiläufiger Blick auf das Alltägliche und die nüchterne Erzählung davon, haben mich gerade in diesen beiden Büchern sehr beeindruckt.

Mit „Das glückliche Geheimnis“ legt er nun aber eine romanhaft zu lesende Autobiografie vor, in der er drei zentrale Versatzstücke seines Lebens und deren sich für ihn über die Zeit hinweg verändernde Bedeutung verarbeitet: Sein Doppelleben als öffentliche Person des Literaturbetriebs einerseits und als unerkannter Lumpensammler andererseits, der in die Altpapiercontainer der Straßen Wiens eintaucht und ihnen so manches Stück papierenen „Abfalls“ entreißt. Die dabei erbeuteten Bücher, Briefwechsel, handschriftlichen Nachrichten und Notizen, Fotos und vieles mehr werden zuerst zu einer der Hauptquellen für sein wirtschaftliches Überleben und später der Inspiration seiner schriftstellerischen Arbeit, wie uns der Autor, das glückliche Geheimnis lüftend, wissen lässt.

Seine manchmal komplizierten Beziehungsgeschichte(n) und deren sich im Laufe der Zeit für ihn ergebende Um- und Neubewertungen sind das zweite Versatzstück, dessen Betrachtung im Buch viel Raum gegeben wird. Lebensabschnittspartnerinnen, die heutige Ehefrau, Vater, Mutter und Freunde werden dabei als lebens- und werkprägend vom Autor sichtbar gemacht. Und schließlich, als drittes Versatzstück, reflektiert der Autor kenntnisreich über seine sich im Lauf des Lebens sich verändernde Sicht auf den Literaturbetrieb allgemein und seine Tätigkeit als heute höchst erfolgreicher Schriftsteller im Speziellen.

Sprachlich wie immer völlig unaufgeregt, bringt Arno Geiger seine Autobiografie einprägsam hier zu Papier. Und erreicht zumindest bei mir sein am Beginn des letzten Kapitels formuliertes Ziel für das Werk („… es wäre zu wünschen, dass alle, die das Buch lesen, darin etwas Wichtiges für sich finden“) mit den nachstehenden Sätzen mit beeindruckender Leichtigkeit: „Im Übrigen ist es ein Denkfehler zu meinen, wenn eins ein intensives Leben haben will, müssten Wiederholungen gemieden werden. Wer ein intensives Leben haben will, muss die Wiederholung suchen … Es ist schon erstaunlich, dass man durch Wiederholung Fortschritte machen kann. Wiederholen ist Fortschreiten.“

Gerald Wödl

Geiger, Arno - Das glückliche Geheimnis

München: Hanser 2023. 236 S. - fest geb. : € 25,70 (DR) ISBN 978-3-446-27617-8