Grisham, John - Die Entführung
Veröffentlicht am 30.04.2024
Fortsetzung des Bestsellers „Die Firma“.
Rückblende in die 1990er und frühen 2000er Jahr: Welcher Fan von hoch spannenden Justizromanen hat damals nicht Titel wie „Die Firma“, „Die Akte“, „Der Klient“, „Der Regenmacher“ oder auch „Die Schuld“ gierig verschlungen? Allesamt Weltbestseller von einem der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller, John Grisham. Dementsprechend vorfreudig machte ich mich an die Lektüre des vom Heyne Verlag als Fortsetzung des Bestsellers „Die Firma“ angepriesenen Werks, „Die Entführung“ – und wurde schwerstens enttäuscht! Denn die bloße „Wiederbelebung“ der damaligen Protagonisten Mitch und Abby McDeere, die – nachdem sie vor 15 Jahren die verbrecherischen Machenschaften der amerikanischen Anwaltskanzlei Bendini, Lambert & Locke gemeinsam mit dem FBI aufgedeckt hatten – erfolgreich vor der Mafia hatten ins Ausland flüchten können, garantiert noch keine neue hochkarätige Handlung.
Mitch arbeitet nun in der größten Anwaltskanzlei der Welt, Scully & Pershing, und ist dort mittlerweile zum allseits geschätzten Partner aufgestiegen. Deswegen fällt die Wahl seines Mentors Jack Ruch, der die Kanzlei leitet, auch auf ihn, als es um die Übernahme eines großen Mandats für ein türkisches Bauunternehmen geht, dem der Libysche Staat und Diktator Muammar al-Gaddafi (!) eine halbe Milliarde Dollar für ein bereits fertiggestelltes, aber völlig sinnloses Brückenbauprojekt mitten in der Wüste schulden. In sein Team, das eine entsprechende Schiedsgerichtsanrufung im Namen seines Mandanten vorbereiten soll, nimmt Mitch auch Giovanna, die Tochter des Leiters der römischen Niederlassung, auf. Diese wird auf dem Weg zu einer Besichtigung des Streitobjekts in der libyschen Wüste von einer grausam mordenden Rebellengruppe entführt.
Auf den folgenden 270 Seiten fliegt Mitch bei seinen Bemühungen, die Geisel durch einen Deal mit den Geiselnehmern zu befreien, gefühlte 20-mal im Privatjet rund um den Globus, trifft eine Vielzahl der Sache hoffentlich dienender Menschen zu langweiligen Mittag- und Abendessen, oder kümmert sich in kurzen Pausen dazwischen liebevoll um seine mittlerweile in den Fall hineingezogene Familie. Aber ansonst gibt der Plot der Geschichte leider nicht viel mehr her – oh, vergessen: Happy End garantiert!
Sollten Sie also nicht selbst Rechtsanwalt/Rechtsanwältin in einer international tätigen Rechtsanwaltskanzlei sein und wissen wollen, wie es in Ihrem Haus eigentlich so zu geht, oder eine Leser:innenschaft mit ganz starkem Bezug zum Arbeitsalltag in einer solchen Kanzlei in Ihrer Bibliothek haben – was mich ehrlich gesagt beides sehr, sehr wundern würde –, dann kann ich Ihnen leider kein Argument liefern, warum Sie dieses Buch für Ihren Bestand ankaufen sollten.
Gerald Wödl
Grisham, John - Die Entführung
Roman. München: Heyne 2024. 384 S. - fest geb. : € 25,50 (DR) ISBN 978-3-453-27429-7 Aus dem Amerikan. Bea Reiter und Imke Walsh-Araya