Grünfeld, Nina F. - Frida
Veröffentlicht am 14.02.2024
Auf der Suche nach der verfolgten Großmutter.
In Lelesz (heute Leles), einer Gemeinde im Osten der heutigen Slowakei, ist der Geburt- und Ausgangsort von Frida Grünfeld, der Großmutter der Autorin, der Filmemacherin und Autorin Nina Grünfeld. Als eines der jüngeren von neun Kindern einer frommen, jüdischen Familie wird sie 1908 geboren. Mit Fridas Start ins Leben und dem Schulbesuch fällt auch der Beginn des Ersten Weltkriegs zusammen und die Turbulenzen sollen von nun an kein Ende nehmen.
Traditionell, aber nicht ultraorthodox wächst Frida heran und bald wird klar: „Sie hatte Hanis (Mutter) Temperament und Reginas (Schwester) Veranlagung geerbt, sich zu verlieben …“ Mit 22 Jahren muss sie deshalb auch das Dorf verlassen, denn den Ehemann suchen zu dieser Zeit immer noch die Eltern für die Tochter aus. Es gibt viele Orte an denen sich die schwangere, junge Frau aufgehalten haben soll. Nitra, Bratislava, Trnva sind nur einige Orte, die bei den Recherchen auftauchen. Nach der Geburt von Berthold, der im Jänner 1933 zur Welt kommt, beginnt ein Nomadenleben, getrieben von Armut, Geldsorgen und der eigenen Rastlosigkeit.
Polizeiakten, Spionagevorwürfe und Aufbegehren gegen die politischen Entwicklungen lassen ein zwiespältiges Bild einer einsamen Frau entstehen. Tochter und Vater führen Reisen nach Israel und in zahlreiche osteuropäische Archive immer mit der Hoffnung, doch noch ein Zeichen einer Überlebenden zu finden. Ein Dokumentarfilm entsteht, der die Beziehung des Psychiaters Berthold Grünfeld zu seiner Mutter reflektiert. Die verzweifelte Frau hat ihren Sohn in frühen Jahren in die Obhut der jüdischen Gemeinde in Bratislava übergeben, rührende Pflegeeltern retten dem Jungen schließlich mit einer Reise nach Norwegen das Leben. „In Bertholds Bewusstsein veränderte sich Frida von der Rinnsteinhure in eine temperamentvolle Frau mit einem unglücklichen Schicksal.“
Nina Grünfeld skizziert die Lebensgeschichte einer Frau aus erzählerischen Passagen basierend auf Recherchen und Archivmaterial, Einschüben aus der Gegenwart von ihren Nachkommen und deren Umgang mit der bleibenden Leerstelle. „Es gibt kein Foto von ihr und auch keinen Grabstein mit Fridas Namen. Aber in Walldorf, wo Frida Sklavenarbeiterin war und die Rollbahnen des Flugplatzes gebaut hat, steht das Glashaus wie ein Denkmal. An den Wänden stehen die Namen aller 1700 Frauen, die dort Häftlinge waren. Auch Fridas.“
Julie August
Grünfeld, Nina F. - Frida
Auf der Suche nach meiner verfolgten Großmutter. Frankfurt: Schöffling 2023. 336 S. - fest geb. : € 29,50 (BI) ISBN 978-3-89561-253-4