Haas, Wolf - Wackelkontakt

Haas, Wolf - Wackelkontakt

Veröffentlicht am 15.01.2025

Ein neuer Wolf Haas, voll Sprachwitz, skurrilen Charakteren und tiefgründiger Leichtigkeit.

Wie von Wolf Haas gewohnt, ist auch sein neuer Roman sehr skurril und amüsant wie seine bisherigen Romane. Doch „Wackelkontakt“ ist erzählerisch noch verwickelter gestaltet. Da sitzt der nicht gerade eifrig gebuchte Trauerredner Franz Escher in seiner Wohnung und wartet auf den Elektriker. In der Küche hat eine Steckdose nämlich einen Wackelkontakt. Escher hat, um es mit dem Titel „Wackelkontakt“ zu sagen, auch selbst Probleme, Kontakt aufzunehmen mit seinen Mitmenschen, befindet sich auf Kriegsfuß mit seiner Umwelt.

Um sich die Wartezeit zu vertreiben, liest er ein Buch. Mehr oder weniger kritiklos verschlingt er vorwiegend Bücher über die Mafia (‘Ndrangheta, Cosa Nostra, Camorra), Sachbücher genauso wie Romane und historische Studien. Gerade beschäftigt er sich mit einem Buch über den ausgestiegenen Mafia-Killer Elio Russo, der in Italien auf die Überstellung nach Deutschland wartet. Dieser greift, um sich die Zeit zu vertreiben, zu einem Buch, in dem es um den mäßig nachgefragten Trauerredner Franz Escher geht, der in seiner Wohnung auf einen Elektriker wartet und ein Buch über den ehemaligen Mafia-Killer Elio Russo liest. Und so geht es hin und her: Escher liest über Russo, Russo über Escher, eine Geschichte ergänzt die andere, sie schaukeln sich spannungsreich gegenseitig hoch. Und in beiden gibt es Tote, Entführungen und Lösegeldverhandlungen.

Im ersten Teil (mit „Off“ überschrieben) legt Haas diverse Spuren und spinnt Fäden, woraus sich ein wilder Strudel entwickelt, in dem die Gesetze der Logik außer Kraft gesetzt werden – ganz im Stil des niederländischen Malers M.C. Escher, dessen Namensähnlichkeit mit Franz Escher natürlich kein Zufall ist. Letztlich geht es um Verbindungen, die nicht so richtig funktionieren. Einmal ist es ein wackelnder Stecker, dann wieder Menschen, die sich nicht mehr richtig verstehen.

Die Geschichte schlängelt sich so vor sich hin, doch Haas schafft es, einen stets bei der Stange zu halten, kleinste, unscheinbare Momente können unvergesslich wertvoll werden (etwa ein banales Gespräch oder ein kaputter Toaster). Die Charaktere sind mit einem liebevoll ironischen Blick gezeichnet, besonders Escher, der lakonisch und fatal durchs Leben wankt. Er ist kein strahlender Held, sondern jemand, mit dem man sich identifizieren kann: etwas verloren, etwas grantig, und durchaus charmant. Die Nebenfiguren wie ein leicht verschrobener Elektriker oder eine mysteriöse Nachbarin sorgen für zusätzliche Überraschungsmomente.

„Wackelkontakt“ ist mehr als nur eine humorvolle Erzählung. Haas thematisiert hier mitunter die Zerbrechlichkeit moderner Beziehungen, die Abhängigkeit von Technologie und die Frage, wie wir in einer zunehmend vernetzten, aber oft distanzierten Welt echten Kontakt herstellen können. Hinter all dem Humor steckt eine Menge Nachdenkenswertes. Haas fragt, wie kann man heute eigentlich noch echten Kontakt herstellen, wenn ständig irgendwas „wackelt“ – sei es die Technik oder unsere Beziehungen.

Solcherart ist „Wackelkontakt“ ein unverkennbares Buch von Wolf Haas, das alles bietet, was seine Fans lieben: Sprachwitz, skurrile Charaktere und tiefgründige Leichtigkeit. Eine Empfehlung für alle, die subtil humorvolle und kluge Romane schätzen, die auf der Höhe ihrer Zeit stehen. Und natürlich für alle, die sich wieder von Wolf Haas‘ einzigartigem Stil verzaubern lassen wollen.
Peter Klein

Haas, Wolf - Wackelkontakt
Roman. München: Hanser 2025. 238 S. fest geb. : € 26,50 (DR) ISBN 978-3-446-28272-8

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