Haffner, Sebastian - Abschied

Haffner, Sebastian - Abschied

Veröffentlicht am 26.11.2025

Eine melancholische Liebesgeschichte, verfasst mit jugendlicher Frische.

Der 1999 verstorbene Journalist und Autor Sebastian Haffner (eigentlicher Name: Raimund Pretzel), bekannt geworden mit dem Bestseller „Anmerkungen zu Hitler“ (1978) war ein großer Stilist, dessen Bücher etwa über Winston Churchill oder seine Erinnerungen 1914-1933 „Geschichte eines Deutschen“ auch heute noch großes Lesevergnügen bereiten können.

Schon früh wollte er Schriftsteller werden, doch sein Vater, Beamter im preußischen Kulturministerium, drängte ihn zum Jurastudium. Pretzels Debütroman „Die Tochter“ (1929 als Fortsetzungsroman in einer Hamburger Zeitung) konnte aufgrund des Konkurses des Verlages nicht als Buch erscheinen. Neben seiner Tätigkeit als Jurist schrieb er weiter, arbeitete journalistisch und veröffentlichte ab 1940 etliche historische und politische Sachbücher. Nach Aufenthalten in Paris entstand ein Roman mit dem Titel „Abschied“, der erst jetzt von seinem Sohn freigegeben, als Buch im Hanser Verlag herauskam. Die Feuilletons überschlugen sich zu Recht vor Begeisterung.

Erzählt wird von einem Wochenende in Paris im Frühjahr 1931. Der junge Jurist Raimund Pretzel verbrachte dort zwei Wochen und hat Teddy, seine große Berliner Liebe, besucht, die Deutschland an der Sorbonne studiert. Sie führt in einem Hotel im Quartier Latin mit anderen ein Boheme-Leben. (Teddy ist eine reale Figur, wie Volker Weidermann im informativen Nachwort ausführt, hieß Gertrude Joseph und war die in Wien geborene Tochter eines jüdischen Ehepaares.

„Abschied“ ist in seinem Stil, seinem Duktus, seinem Blick auf die Dinge, das genaue Gegenteil dessen, was Haffner sonst geschrieben hat. Das Manuskript wurde innerhalb von vier Wochen verfasst. Die analytische Distanz, die Souveränität des alles überblickenden Epochendeuters, fehlt diesem Roman, der von seiner Unmittelbarkeit lebt. Ein Hauptmotiv des Romans ist die verschwindende bzw. verstreichende Zeit. Sebastian Haffner wusste damals naturgemäß nicht im Detail, was in Deutschland in den folgenden Jahren passieren würde, doch eine Ahnung für die kommende Krise trug er bereits in sich.

Raimund muss wieder nach Berlin zurück, die drohende Trennung, die endgültig sein wird, tüncht alles in eine Atmosphäre der Melancholie. Teddy wird nämlich nicht mehr nach Berlin zurückkehren. Im Geplauder der Studenten taucht ab und an der in der Luft liegende Krieg auf. Der sehnsüchtige Roman in seinem leichten, etwas atemlosen Ton erinnert an Autor:innen der Weimarer Republik wie Vicki Baum oder Irmgard Keun. Er muss von seiner Geliebten Teddy Abschied nehmen. Man raucht Gitanes Rouges in Hotelzimmern, verplaudert die wenigen Stunden, die bleiben, fährt zum Eiffelturm, wo es die beiden aber nur auf die erste Plattform schaffen.

„Abschied“ ist eine schöne, melancholische Liebesgeschichte, verfasst mit jugendlicher Frische und einem wohl großen inneren Druck. Bei der Niederschrift war Haffner gerade einmal 24 Jahre alt, aber man merkt das große Sprachbewusstsein, das Gespür für Tonlagen, Rhythmus und für Dialoge. Schön, dass dieser Roman nun, nach fast einem Jahrhundert, zu lesen ist. 
Georg Pichler

Haffner, Sebastian - Abschied
Roman. Mit einem Nachwort von Volker Weidermann. München: Hanser 2025. 192 S. - fest geb. : € 25,95 (DR) ISBN 978-3-446-28482-1

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