Harari, Yuval Noah - Nexus

Harari, Yuval Noah - Nexus

Veröffentlicht am 06.03.2025

Eine kurze Geschichte der Informationsnetzwerke von der Steinzeit bis zur künstlichen Intelligenz.

Der israelische Bestsellerautor Yuval Noah Harari, durch Werke wie „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ und „Homo Deus“ bekannt geworden, setzt mit „Nexus“ seine philosophischen und gesellschaftlichen Überlegungen in eine neue Richtung fort. Während seine früheren Werke sich auf die Vergangenheit und Zukunft der Menschheit konzentrieren, führt er einen Gedankenaustausch über die gegenwärtige umfassende Vernetzung von Technologien, Menschen und Ideologien und schildert die Entwicklung dazu.

Dabei erzählt er den technologischen Fortschritt grundsätzlich als eine Kette von Risiken und Beinahekatastrophen. In der Betrachtung der menschlichen Geschichte als Prozess der Informationsverarbeitung kann er solcherart vieles unter dem Gesichtspunkt der Information miteinander in Beziehung setzen. Er vermittelt zwischen der Zeit vor der Sprach-KI und unserer Gegenwart, indem er ausführlich aus dem Altertum berichtet, politische Systeme und Gesellschaftsformen miteinander vergleicht und ihren jeweiligen Begriff von Information und Informationsnetzwerken untersucht.

Der Begriff „Nexus“ stammt ja aus dem Lateinischen und bezeichnet das Verknüpfen, Zusammenbinden, eben „binden“ oder „verknüpfen“. Harari benennt damit seine zentrale These, „dass die Menschheit gewaltige Macht erwirbt, indem sie kooperative Netzwerke aufbaut, dass jedoch die Konstruktionsweise dieser Netze dem unklugen Gebrauch dieser Macht Vorschub leistet“. Als extremes Beispiele dafür nennt er den Nationalsozialismus und den Stalinismus, zwei der zerstörerischsten Netzwerke, die je von Menschen erschaffen wurden.

Es fällt uns schwer zu verstehen, wie stark auf Wahnvorstellungen aufbauende Netzwerke werden können, da wir laut Harari einem „Irrtum aufsitzen, wie große Informationswerke – ob wahnhaft oder nicht – funktionieren“. Wir gehen davon aus, so Harari, „dass große Netzwerke mehr Information verarbeiten können als Einzelpersonen und auf diese Weise Fortschritte auf Gebieten wie Medizin, Physik, Wirtschaft und so weiter ermöglichen“. Netzwerke scheinen so nicht nur mächtig, sondern auch weise zu sein. Es gibt tatsächlich viele Fälle, in denen mehr Information unser Verständnis von der Welt verbessert (etwa in der Medizin den dramatischen Rückgang der Kindersterblichkeit u.v.a.). Doch heute befindet sich auf jedem Handy mehr Information als in der legendären antiken Bibliothek von Alexandria. Und „trotz – oder gerade wegen dieser Datenmenge – stoßen wir nach wie vor Treibhausgase in die Atmosphäre“, mahnt Harari, „zerstören wir Lebensräume und produzieren immer mächtigere Massenvernichtungswaffen – von Atombomben bis zu apokalyptischen Viren“.

Im ersten Teil des Buches wird die historische Entwicklung von Informationsnetzwerken ausgebreitet, von den Mythologien der Antike bis zu den Bürokratien moderner Staaten. Er zeigt beispielsweise Unterschiede auf, wie demokratische und totalitäre Systeme Informationsnetzwerke nutzen (nicht zuletzt beim Problem der falschen Information). Der zweite Teil widmet sich dem Informationsnetzwerk, das wir gerade schaffen, inklusive von KI-Systemen und der Rolle von Social-Media-Algorithmen. Am Ende weist er noch auf die Gefahren und Chancen in unterschiedlichsten politischen Systemen hin.

Auf zugängliche Weise auch für nicht allzu Technikaffine untersucht Harari in diesem umfangreichen Buch durchaus spannend die Verbindungen zwischen Technologie, Künstlicher Intelligenz, globaler Politik und Ethik und zeigt, wie diese zunehmende Vernetzung auf verschiedenen Ebenen (von der Digitalisierung bis zur biologischen Verknüpfung durch Technologien wie CRISPR) unser Leben radikal verändert. Er hat die Fähigkeit, komplizierte Konzepte in eine verständliche Sprache zu übersetzen, sodass man auch ohne Fachwissen den Argumentationen gut folgen kann. Gleichzeitig regen die Überlegungen natürlich dazu an, sich kritisch mit den Folgen der technischen Gegebenheiten auseinderzusetzen.
Peter Klein

Harari, Yuval Noah - Nexus
Eine kurze Geschichte der Informationsnetzwerke von der Steinzeit bis zur künstlichen Intelligenz. München: Penguin 2024. 655 S. - fest geb. : € 29,50 (GE) ISBN 978-3-328-60375-7 Aus dem Engl von Jürgen Neubauer und Andreas Wirthensohn

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