J.R.R. Tolkien - Der Herr von Mittelerde

Veröffentlicht am 06.03.2022
Vor 130 Jahren wurde der Schöpfer von Mittelerde, geboren. Ein Porträt von Robert Leiner
Die Werke des britischen Schriftstellers John Ronald Reuel Tolkien gehören seit Jahrzehnten zu den erfolgreichsten der Literaturgeschichte. Spätestens seit der Veröffentlichung von „Lord of the Rings“, der Roman-Trilogie „Der Herr des Rings“ (1954 im Original, 1969 in deutscher Sprache) ziehen die Geschichten aus Mittelerde Millionen Menschen in ihren Bann, zuerst noch auf Papier, ab 2001 dann auch auf der Leinwand in aufwändigen und genialen Verfilmungen.
Dabei war John Ronald Reuel Tolkien eigentlich Sprachwissenschaftler und Professor für englische Sprachwissenschaft an der Universität Oxford. Viele seiner sprach- und literaturwissenschaftlichen Beiträge gelten als wegweisend. Doch er hatte schon seit seiner Jugend an einer eigenen Mythologie gearbeitet, mit eigens konstruierten Sprachen (als Buch erschien es erst postum unter dem Titel „The Silmarillion“ (1977, „Das Silmarillion“). Fast alle seine Werke spielen in dieser von ihm erfundenen märchenhaften Welt, diesem von ihm erschaffenen und später weltweit erfolgreichen literarischen Universum. Und er selbst wurde damit zu einem der berühmtesten Schriftsteller aller Zeiten. Geboren wurde er am 3. Januar 1892 als erster Sohn von Mabel Tolkien und Arthur Reuel Tolkien im südafrikanischen Bloemfontein. Sein Vater, der Bankmanager, hielt sich aus beruflichen Gründen in Bloemfontein im Oranje-Freistaat in Südafrika auf. Seine Familie väterlicherseits stammte ursprünglich aus Sachsen (heute im Bereich Niedersachsen) – der Familienname soll sich von dem Wort „tollkühn“ ableiten; eine andere vermutete Herkunft ist der ostpreußische Ortsname Tolkynen –, lebte aber schon seit dem 18. Jahrhundert in England. Die meisten Vorfahren waren Handwerker. 1894 kam der Bruder Hilary Arthur Reuel zur Welt. 1895 kam er mit seiner Mutter, die das afrikanische Klima nicht gut vertrug, und seinem Bruder Hilary zu einem Urlaub ins englische Birmingham. Dort erreichte seine Mutter im darauffolgenden Jahr die Nachricht vom Tode ihres Mannes, der an schweren inneren Blutungen verstorben war.
Die Familie zog daraufhin nach Sarehole Mill, einem Vorort von Birmingham, der zu diesem Zeitpunkt noch weitgehend von der Industrialisierung unberührt geblieben war. Sarehole Hill war grün, unberührt und idyllisch, wie die Landschaft, in der Tolkien später seine Hobbits ansiedelte. Hier wurde er auch zuerst mit dem Dialektwort „Gamgee“ für Baumwolle vertraut, das später zum Namen eines der Hobbit-Protagonisten in „Der Herr der Ringe“ wurde. Tolkiens frühe Kindheit verlief weitgehend ruhig und ereignislos bis auf einen Tarantelbiss, der als möglicher Auslöser für das wiederholte Auftreten von giftigen Riesenspinnen in seinen Werken gilt.
Seine Mutter, die im Jahre 1900 gegen den Willen ihrer Eltern und Schwiegereltern zur römisch-katholischen Kirche konvertierte, erzog ihre Kinder in ihrem Glauben. Diese weltanschauliche Grundprägung zog sich durch Tolkiens gesamtes Leben und hatte weitreichende Auswirkungen auf sein Werk. Sie legte den Grundstein für seinen späteren Werdegang, indem sie ihm Märchen und Sagen vorlas und ihn Latein, Französisch und Deutsch lehrte. So wurde er mit den Geschichten von Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“, der Artus-Sage und den Märchenbüchern von Andrew Lang vertraut, in denen er auch zum ersten Mal von den nordischen Sagen um Siegfried und den Drachen Fafnir hörte. Der Junge sog die Erzählungen seiner Mutter auf und begeisterte sich schon im Kindesalter für Sprachen. Zwischen 1900 und 1902 zog Tolkien mit seiner Mutter mehrfach innerhalb Birminghams um, zunächst in den Stadtteil Moseley, dann nach King’s Heath, wo er durch die ungewohnten Namen auf den hinter dem Haus vorbeifahrenden Kohlewaggons zum ersten Mal auf das ihn ästhetisch berührende Walisisch stieß, schließlich nach Edgbaston. Da all diese Orte städtischen Charakter hatten, waren seine vom Landleben geprägten Kindertage vorbei. Hinzu kam eine Odyssee durch verschiedene Schulen: Zunächst auf der King Edward’s School angenommen, wechselte er 1902 an die St. Philips Grammar School, um dann 1903 mit einem Stipendium wieder an die King Edward’s School zurückzukehren. Dort lernte er neben den klassischen Sprachen Latein und Griechisch durch einen engagierten Lehrer auch das Mittelenglische kennen.
Am 14. November 1904 starb seine Mutter, für den Zwölfjährigen völlig überraschend, nach einem sechstägigen diabetischen Koma. Dieser frühe Tod bewirkte, dass er sich als Waise dem Glauben und der katholischen Kirche noch enger verbunden fühlte. Ebenso stärkte dieses Ereignis seine pessimistische Grundhaltung. Er sah, ganz im Sinne der Bibel, die Welt in den Händen des Bösen. Nur in den Siegen des Guten, so seine Vorstellung, konnte dabei das Schlechte vorübergehend zurückgedrängt werden. Erlösung konnte für ihn der Mensch nur durch den Glauben an Jesus Christus und das ewige Leben finden. Diese Einstellung wurde zum grundlegenden Tenor seines literarischen Schaffens.
Die beiden Brüder kamen in die Obhut Pater Francis Morgans, eines mit ihrer Mutter befreundeten Priesters, der von nun an der Vormund der zwei Kinder war und der sie zunächst bei ihrer Tante Beatrice Bartlett und später bei einer befreundeten Pensionswirtin unterbrachte. Dort lernte Tolkien 1908 seine spätere Frau, die drei Jahre ältere Edith Bratt, kennen. Als sein Vormund davon erfuhr, verbot er ihm bis zum Erreichen seiner Volljährigkeit mit 21 Jahren jeden Kontakt mit Edith.
Von seinen Kenntnissen im Altenglischen und Altnordischen angespornt, begann Tolkien bald damit, eigene Sprachen zu erfinden, die auf seinem schon zu diesem Zeitpunkt gut ausgebildeten Wissen um linguistische Entwicklungsprinzipien beruhten. Frühe Versuche basierten auf dem Spanischen, doch als er durch einen Schulfreund auf das Gotische aufmerksam wurde, begann er nicht nur damit, die in dieser ausgestorbenen Sprache enthaltenen (und wohl hauptsächlich durch die wenig umfangreiche Überlieferung bedingten) Lücken selbsttätig aufzufüllen, sondern versuchte auch, das Gotische zu einer hypothetischen Ursprache zurückzuführen.
Ein Fantasieuniversum
Diese enge Beschäftigung mit Sprachen zeigte sich bald auch in der Schule, wo Tolkien seine Zuhörer bei (damals meist in Latein gehaltenen) Debatten mit fließenden Vorträgen auf Griechisch, Gotisch oder Altenglisch überraschte. John, ein ausgesprochen guter Schüler, gründete mit einigen Freunden den „Tea Club Barrovian Society“, in dem sie über Literatur und Poesie diskutierten. In dieser Zeit fing er auch an, Gedichte zu schreiben, in denen erstmals im Waldland tanzende Feenwesen (fairies) auftraten. Nach einem fehlgeschlagenen Versuch im Jahre 1909 gelang es ihm im Dezember 1910, ein Stipendium des Exeter College in Oxford zu erhalten. Tolkien studierte zunächst die klassischen Sprachen Latein und Griechisch, ehe er sich begeistert dem Walisischen zuwandte.
Am 3. Jänner 1913, am Tage seiner Volljährigkeit, schrieb er zum ersten Mal wieder an seine Jugendliebe Edith, musste aber erfahren, dass sie sich in der Zwischenzeit mit dem Bruder einer Schulfreundin verlobt hatte. Nicht geneigt, seine große Liebe aufzugeben, besuchte er sie daraufhin kurzentschlossen, und es gelang ihm, sie umzustimmen. Ein Jahr später, nach der Aufnahme Ediths in die katholische Kirche, fand die offizielle Verlobung statt, nach weiteren zwei Jahren, 1916, die Hochzeit. Der Erste Weltkrieg hatte gerade seinen Höhepunkt erreicht und seine Zeit an der Universität sollte nicht lange währen. Als 24-Jähriger wurde er an die Front nach Nordfrankreich gerufen - da war die Ehe erst vier Monate jung. „Meine Frau zu verlassen, war wie der Tod für mich“, schrieb er später. Im Sommer 1916 an der Front in der Schlacht an der Somme, nahm er an der blutigsten Schlacht des Ersten Weltkriegs teil. Die unmittelbare Erfahrung der Grausamkeiten des Stellungskriegs traf ihn tief und ließ den Einbruch des Bösen in eine friedvolle Welt zu einem Grundthema seines Lebens und seiner Literatur werden. Im Oktober 1916 zeigte er die Symptome des durch Läuse übertragenen und in den Schützengräben grassierenden Fleckfiebers und wurde zur Behandlung nach England verschifft. Sein Gesundheitszustand schwankte lange, und die Gefahr, an die Front zurückgeschickt zu werden, schwebte ständig über ihm. Nach Aufenthalten in diversen Sanatorien musste er schließlich nicht mehr in den Krieg.
Während viele seiner engsten Freunde dem grausamen Stellungskrieg in der Schlacht an der Somme zum Opfer fielen, hatte er überlebt und kehrte zurück nach Oxford und suchte von nun an die Ruhe des einfachen Lebens. 1917 gebar Edith ihren ersten gemeinsamen Sohn, der John Francis Reuel getauft wurde, ihm folgten 1920 Michael Hilary Reuel, 1924 Christopher John Reuel und schließlich 1929 die Tochter Priscilla Anne Reuel. Tolkien war jetzt Dozent und wurde später Professor für altenglische Sprache und Literatur, hielt tagsüber Vorlesungen, nachts schrieb er: an einem Fantasieuniversum mit eigener Geschichte, eigenen Kulturen und eigenen Sprachen.
Der Hobbit
Ursprünglich als Gutenachtgeschichte für seine Kinder gedacht, verfasste Tolkien in den frühen 1920er und 1930er Jahren Kapitel für Kapitel von „Der Hobbit“. Das Wort „Hobbit“ war ihm eines Tages zufällig in den Sinn gekommen. Er stellte sich die Hobbits als kleine menschenartige Wesen mit Fell auf den Füßen vor, die im grünen Auenland in Wohnhöhlen lebten.
Es waren fantasievolle Geschichten, die allerdings meist außerhalb der Mythenwelt, an der er zu dieser Zeit bereits ernsthaft arbeitete, spielten. Außerdem verlieh er ihnen einige Eigenschaften, die auch er selbst hatte: Die Liebe zur Natur, zu einfacher Küche und die Abneigung gegenüber Reisen.
Aus dieser Zeit stammt unter anderem die Erzählung „Roverandom“, die auf das Verschwinden eines Spielzeughundes seines zweiten Sohnes Michael zurückgeht. Während sich in dieser Erzählung nur ein oder zwei kryptische, damals nur für ihn selbst verständliche Bezugnahmen auf die größere Mythologie finden, verweist die 1930 begonnene Geschichte „Der Hobbit“ schon mehrfach auf Ereignisse aus seiner ernsthaften Mythologie, so in den Verweisen auf die Elbenstadt Gondolin, die zu dieser Zeit bereits Teil seiner später im Ersten Zeitalter von Mittelerde angesiedelten Sagenwelt ist, und die Gestalt des Nekromanten. Durch Vermittlung einer ehemaligen Studentin wurde der Verlag Allen & Unwin auf seine Erzählung aufmerksam, die nach positiver Rezension durch den Sohn des Verlegers, Rayner Unwin, im Jahre 1937 veröffentlicht wurde.
Auf dringenden Wunsch des Verlages begann Tolkien mit der Arbeit an einer Nachfolgeerzählung, die zunächst wie „The Hobbit“ als Kinderbuch angelegt war. Gegen Ende der 1930er Jahre und nach Inspiration durch C. S. Lewis, der mit ihm nun in dem literarischen Zirkel der Inklings verbunden war (einer Gruppe, zu der neben Lewis und Tolkien auch Charles Williams, Owen Barfield, Hugo Dyson und Adam Fox gehörten), hielt er den vielbeachteten Vortrag „On Fairy-Stories“, in dem er die Grundsätze des später entstehenden Fantasy-Genres beschrieb und energisch gegen Vorwürfe des Eskapismus (Realitätsflucht) verteidigte.
„Der Hobbit“ faszinierte Leser jeden Alters von Anfang an. Der Verlag wurde mit Briefen überschwemmt, denn die Leser dürsteten nach einer Fortsetzung. Doch gut Ding wollte Weile haben, und so ließ sich Tolkien 15 Jahre Zeit, um an dem Roman „The Lord of the Rings“ („Der Herr der Ringe“) zu arbeiten. Schließlich war das Schreiben sein Hobby, nicht sein Beruf.
Der Herr der Ringe
Während des Zweiten Weltkriegs zog sich die Arbeit an seinem Nachfolgeprojekt für den „Hobbit“ hin, das jetzt den Namen „The Lord of the Rings „trug. Durch andere Aufgaben wurde diese Arbeit immer wieder unterbrochen. 1945 wechselte er, immer noch in Oxford, auf die Professur für Anglistik. Erst im Jahre 1954 wurde „The Lord of the Rings“ veröffentlicht. Die Verzögerung hatte zum einen mit Tolkiens Perfektionismus, zum anderen aber auch mit Tolkiens Wunsch nach einem Verlagswechsel zu tun, der durch die vermeintliche Ablehnung seines ernsthaften Mythenwerkes „The Silmarillion“ motiviert war. Als sein alter Verleger Allen & Unwin ein Ultimatum zur Veröffentlichung seiner Gesamtmythologie („The Lord of the Rings“ und „The Silmarillion“) ohne Möglichkeit zur Ansicht des Manuskripts ablehnte, trug Tolkien sein Werk dem Verlagshaus Collins an.
Nach anfänglichem Enthusiasmus bestand man dort jedoch auf weitreichenden Kürzungen, zu denen Tolkien nicht bereit war, so dass er sich reumütig wieder an seinen alten Verlag wandte. Rayner Unwin, der als Kind den „Hobbit“ begutachtet hatte, war mittlerweile zum Juniorverleger aufgestiegen und nahm das Buch ohne weitere Korrekturen an. Aufgrund der infolge des Krieges exorbitanten Papierpreise in England wurde das Werk in drei Bänden („The Fellowship of the Ring“, „The Two Towers“ und „The Return of the King“; „Die Gefährten“, „Die zwei Türme“ und „Die Rückkehr des Königs“) veröffentlicht, so dass jeder Einzelband zu erschwinglichen Preisen angeboten werden konnte. Daher stammt die fälschlicherweise gebrauchte Kategorisierung des Gesamtwerks als Trilogie, welche Tolkien zeit seines Lebens ablehnte. Ursprünglich hatte er das Werk in sechs Bücher unterteilt.
1964 fragte der amerikanische Verleger Donald A. Wollheim von Ace Books nach der Erlaubnis, „The Lord of the Rings“ als Taschenbuch in den Vereinigten Staaten zu veröffentlichen. Tolkien lehnte mit der Begründung ab, dass er keine Ausgabe seines Werkes in derart degenerierter Form wünsche. Diese Zurückweisung verärgerte Wollheim, der ein Pionier des Taschenbuchs in den USA war, derart, dass er nach einem Schlupfloch in den Urheberrechten daran suchte. Tatsächlich waren die Taschenbuchrechte für die Vereinigten Staaten nicht eindeutig geregelt. Wollheim schloss daraus, die Rechte für die Staaten seien frei, und legte mit dem, was später als Raubdruck bezeichnet wurde, die Grundlage für den immensen Erfolg des Buches in den Vereinigten Staaten. Der resultierende Rechtsstreit wurde später zuungunsten von Ace Books entschieden. Wollheims unautorisierte Kopie von „The Lord of the Rings“ löste eine Kultbewegung unter den Studenten aus, was Tolkien schnell zu einer Berühmtheit machte. Durch enge Anbindung an seine immer zahlreicher werdenden Fans, die zu seinen Gunsten erheblichen Druck auf den Verleger der Piratenausgabe ausübten, erreichte es Tolkien jedoch entgegen der für ihn ungünstigen Rechtslage, dass die Piratenedition eingestellt wurde, so dass bald nur noch die durch ihn autorisierte Fassung auf dem US-amerikanischen Markt erhältlich war.
Dieses über 1000 Seiten umfassende Werk war nicht das beschauliche Kinderbuch, was sich der Verlag ursprünglich wohl erhofft hatte, sondern ein sprachgewaltiges, blutiges Epos mit noch nie da gewesenem Detailreichtum und Komplexität des Hintergrundes. Tolkien erschuf Länder, Völker, deren Historie und mehrere Sprachen (samt Vokabular und Grammatik).
Jahrzehnte nach den im „Hobbit“ geschilderten Ereignissen feiert Bilbo Beutlin seinen 111. Geburtstag, um sich danach in den Ruhestand zu begeben und seine Memoiren zu schreiben. Er vermacht seinen gesamten Besitz seinem Neffen Frodo Beutlin, so auch seinen Unsichtbarkeitsring. Erneut taucht Gandalf auf: Er möchte Bilbos Ringe unbedingt an sich nehmen, denn dieser ist nicht nur ein einfacher Zauberring, sondern „der Eine Ring“ des Dunklen Herrschers Sauron, wie er im Ringgedicht beschrieben wird:
Three Rings for the Elven-kings under the sky,
Seven for the Dwarf-lords in their halls of stone,
Nine for Mortal Men doomed to die,
One for the Dark Lord on his dark throne
In the Land of Mordor where the Shadows lie.
One Ring to rule them all, One Ring to find them,
One Ring to bring them all and in the darkness bind them
In the Land of Mordor where the Shadows lie.
Drei Ringe den Elbenkönigen hoch im Licht,
Sieben den Zwergenherrschern in ihren Hallen aus Stein,
Den Sterblichen, ewig dem Tode verfallen, neun,
Einer dem dunklen Herrn auf dunklem Thron
Im Lande Mordor, wo die Schatten drohn.
Einen Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden,
Ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden
Im Lande Mordor, wo die Schatten drohn.
Der Dunkle Herrscher hat bereits alle anderen Ringe an sich genommen, einzig der Eine Ring trennt ihn von der Macht über ganz Mittelerde. Frodo hat nun die Mission, den Ring an den Ort seiner Entstehung, dem Schicksalsberg mitten in Saurons Reich Mordor, zu bringen und dort zu vernichten. Mit seinen Gefährten, dem Zauberer Gandalf, den Hobbits Merry, Pippin und Samwise Gamgee, dem Zwerg Gimli, dem Elben Legolas und den Menschen Boromir und Aragorn, macht sich Frodo Beutlin auf die gefährliche Odyssee.
Im Laufe ihrer Reise werden die Gefährten getrennt, Boromir und Gandalf werden getötet. Von da an folgt die Geschichte abwechselnd den drei Gruppen: Merry und Pippin befinden sich in der Gefangenschaft von Orks, den Dienern des bösen Zauberers Saruman. Aragorn, Legolas und Gimli verfolgen die Orks und versuchen, Merry und Pippin zu befreien. Letztlich wird Isengard, die Festung Sarumans, von den Gefährten und mit Hilfe der Ents (Baumwesen aus dem Wald Fangorn) und der berittenen Krieger der Rohirrim (die Bewohner des Landes Rohan) zerstört und Saruman vom totgeglaubten Gandalf besiegt. Währenddessen befinden sich Sam und Frodo auf dem Weg zum Schicksalsberg. Sie lernen die Kreatur Gollum kennen, die einst den Einen Ring besaß und immer noch von ihm besessen ist. Gollum führt sie durch das Schattengebirge nach Mordor, verrät sie aber an die Riesenspinne Kankra, in der Hoffnung, Frodo den Einen Ring doch noch abnehmen zu können.
Sauron greift mit aller Macht Gondor an, um die Allianz von Gondor und Rohan zu brechen. In der Schlacht um Minas Tirith, der Hauptstadt Gondors, können Gondor und Rohan mit vereinten Kräften schlussendlich die Armee Saurons besiegen. Frodo und Sam erreichen den Feuerberg, in dessen flammenden Abgrund sie den Ring werfen müssen, um ihn zu vernichten. Doch der Einfluss des Einen Rings hindert Frodo daran. Ausgerechnet Gollum rettet Mittelerde vor der Macht Saurons: Er entreißt Frodo den Ring und stürzt mit ihm in den Abgrund. Somit ist die Macht Saurons gebrochen, das Auenland kann sich von Saruman befreien und Aragorn wird der neue König Gondors.
Der Jahrhundert-Autor
Tolkiens epische Erzählungen um die fantastische Welt von Mittelerde bieten seit ihrem Erscheinen einen großen Spielraum für Interpretationen des Stoffes. Zahlreiche mögliche Einflüsse der realen Weltgeschichte auf Tolkiens Werk wurden bereits zu seinen Lebzeiten postuliert, der Kampf um den Einen Ring als Allegorie auf die beiden Weltkriege angesehen, Parallelen zwischen den auftretenden Völkern und den echten Kriegsparteien gezogen. Tolkien selbst lehnte diese Interpretationen immer ab. Im Vorwort der englischen Ausgabe des Herrn der Ringe schreibt er, dass er Allegorien in jeder Form verabscheut und Geschichte (echter wie erzählter) den Vorrang gibt, da sie dem Leser die Freiheit verleiht, sie auf die eigenen Erfahrungen und Gedanken anzuwenden – im Gegensatz zur Allegorie, die der Feder des Autors entstammt und einem bestimmten Zweck dient. Das Fantasie-Epos machte den britischen Professor zum Jahrhundert-Autor. Tolkien wurde Kult. Allein „Der Herr der Ringe“ hat sich bis heute über 150 Millionen Mal verkauft. Die Film-Trilogie zum Buch spielte rund drei Milliarden US-Dollar ein und wurde mit 17 Oscars ausgezeichnet. Die Verfilmungen des „Hobbit“ waren ebenfalls sehr erfolgreich.
Seine letzten Jahre
Sein weiteres Leben verbrachte Tolkien mit dem Ausarbeiten des „Silmarillion“, das er jedoch bis zu seinem Lebensende nicht mehr fertigstellte und das erst nach seinem Tod von seinem Sohn Christopher Tolkien herausgegeben wurde. Für ein paar Jahre zogen er und seine Frau Edith in das englische Seebad Bournemouth. Dort starb Edith 1971, woraufhin Tolkien zurück nach Oxford zog. 1972 wurde ihm von Königin Elisabeth II. der Rang eines Commander des Order of the British Empire verliehen. Somit hatte er das Recht, die entsprechende Abkürzung seinem Namen hinzuzufügen (John Ronald Reuel Tolkien, CBE). Er war jedoch kein Ritter und hatte auch keinen Adelstitel. Für die 1966 erschienene englischsprachige Ausgabe der Jerusalemer Bibel, die wichtigste internationale evangelisch-katholische Bibeledition der Gegenwart, hatte er das Buch Jona übersetzt. Tolkien arbeitete auch an einer Fortsetzung des „Herrn der Ringe“. Darin sollte erzählt werden, wie einige Jahre nach dem Tod der Protagonisten der Trilogie ein Geheimbund aus Jugendlichen versucht, Sauron seine alte Stärke zurückzugeben. Das Romanfragment, das die Anfang der 1970er verbreiteten Ängste vor Jugendreligionen reflektiert, wurde 1996 postum unter dem Titel „The New Shadow“ veröffentlicht.
Am 2. September 1973 starb J.R.R. Tolkien im Alter von 81 Jahren nach kurzer Krankheit in einem privaten Krankenhaus in Bournemouth, wohin er für einen kurzen Urlaub zurückgekehrt war. Das Grabmal von Tolkien und seiner Frau befindet sich auf dem katholischen Teil des Wolvercote Cemetery auf dem Jordan Hill in Oxford.
Im Juni 2017 erschien posthum das Buch „Beren and Lúthien“, die Liebesgeschichte zwischen einem Sterblichen und einer unsterblichen Elfe. Es ist eines von vielen Werken, die er zu Lebzeiten nicht fertigstellen und veröffentlichen konnte. Dabei war „Beren and Lúthien“ eine seiner ersten Geschichten - er schrieb sie vor mehr als 100 Jahren. Beide Namen sind auf dem gemeinsamen Grabstein von Tolkien und seiner Frau Edith eingraviert – Zeichen für eine den Tod überdauernde Liebe, sie waren 50 Jahre miteinander verheiratet. Kurz nach ihrem Tod schrieb er in einem Brief: „Ich habe Edith niemals Lúthien genannt, aber sie war der Ursprung der Geschichte.“ Tolkiens Geschichten faszinieren die Menschen bis heute.
Foto: (c) by John Wyatt / Klett-Cotta Verlag