Knecht, Doris - Ja, nein, vielleicht

Veröffentlicht am 03.10.2025
Umkreisung einer Schriftstellerin und ihres Alltags in vielen Episoden.
Doris Knechts Ich-Erzählerin ist Mitte fünfzig, Single aus Überzeugung und lebt als Schriftstellerin in einem Haus auf dem Land und in einer kleinen Wohnung in der Stadt. Ihre Zwillinge hat sie allein großgezogen und mit sich selbst ist sie im Reinen. Aber das Gleichgewicht ist fragil, das macht schon zu Beginn ein Zahnproblem deutlich, das sich leitmotivisch durch den gesamten Roman zieht.
Der Zahn kann auch trotz mehrfacher, äußerst schmerzhafter Behandlungen nicht gerettet werden, das Haus am Land zeigt mit Rissen in der Decke und an der Kaminwand Vergänglichkeitserscheinungen und die beste Freundin verlobt sich in Venedig. Dazu kommt noch, dass ihre kleine Wohnung in Wien von Schwester Paula okkupiert wird, die Abstand von ihrem dominanten Ehemann braucht, sich sonst aber in Schweigen hüllt.
Da trifft die Erzählerin unverhofft Friedrich im Supermarkt, mit dem sie zur Jahrtausendwende in New York eine kurze Affäre hatte. Nach dem Scheitern seiner Ehe ist er in seine Heimatstadt zurückgekehrt, hat das Weingut seiner Eltern übernommen und kündigt an, demnächst bei ihr vorbeizuschauen. Friedrich nimmt schnell Raum in ihrem Kopf ein, mehr als sie möchte, und sie fragt sich, ob sie sich auf ihn und die romantische Liebe, die ihr schon viele Enttäuschungen bereitet hat, einlassen soll.
Doris Knecht umkreist ihre Hauptfigur in vielen Episoden, die ihre Beziehung zu Freunden und Bekannten, zu ihrer Familie und zu ihrem Beruf, dem Schreiben, verdeutlichen, sodass beim Lesen schnell das Gefühl entsteht, diese Frau gut zu kennen. Fahrt nimmt der Roman aber erst gegen Ende auf, als ein Jahrhunderthochwasser das Haus am Land bedroht und Friedrich sich nur zu Durchhalteparolen, aber nicht zu tatkräftiger Unterstützung durchringen kann. Es sind Nachbarn, Dorfbewohner, Freundinnen und Freunde, die beim Ausräumen des Erdgeschosses kräftig zupacken und der Ich-Erzählerin das Gefühl geben, dass ein größeres Wir einen möglicherweise sicherer durchs Leben begleitet als ein exklusives mit einem unzuverlässigen Mann.
Leserinnen und Leser von Doris Knechts Romanen werden auch „Ja, nein, vielleicht“ mit Begeisterung aufnehmen, zumal es einige Verweise auf frühere Bücher gibt und sie auch die Arbeit als Schriftstellerin thematisiert.
Ida Dehmer
Knecht, Doris - Ja, nein, vielleicht
Roman. Berlin: Hanser 2025. 237 S. - fest geb. : € 25,95 (DR) ISBN 978-3-446-28288-9