Konttas, Simon - Trautes Heim

Konttas, Simon - Trautes Heim

Veröffentlicht am 05.12.2023

Wie entwickelt sich eine harmonische Partnerschaft?

In ihrer Kindheit hat Anna Krobal unter dem Gefühl gelitten, schwächer, kleiner und unbedeutender zu sein als andere Kinder, und deshalb geglaubt, nicht besonders anziehend und attraktiv zu sein. Sie investiert ihr ganzes Wollen und Wünschen daher in den schulischen Erfolg, maturiert mit Auszeichnung, beginnt Jus zu studieren, kommt sich allerdings immer, leer und wertlos vor. Erst mit der Aufnahme an die Kunstakademie findet sie sich in einem Leben mit Möglichkeiten, heißt es doch, sie sähe aus wie Marilyn Monroe.

Die Liebe lässt so natürlich nicht lange auf sich warten: In dem Sportstudenten Oliver erkennt Anna sogar ihren Gott. Sie liebt ihn mit der verzehrenden Kraft des ‚Alles oder Nichts‘ und versetzt sich dementsprechend in einen Zustand unüberbietbarer Unterwerfung. Zum Malen kommt sie dadurch wenig. Dafür aber lebt sie in den höchsten Wonnen des Begehrens, merkt allerdings, dass ihr inneres Wollen zusehends nach etwas anderem strebt.

Auf der Party anlässlich ihres zweijährigen Zusammenseins tritt das dann auch äußerlich deutlich zutage: Anna erwischt Julian mit einer anderen im Bett. Daraufhin zieht sie mit ihrer Schulfreundin Claudia in die alte Wohnung der Tante und findet für sich heraus, dass der Liebe etwas Kleinkariertes anhaftet. Sie beschließt deshalb, sich ihr in Zukunft zu verschließen, meidet Partys und Feiern; will schnell ihr Kunststudium beenden und verbringt so drei arbeitsreiche Jahre mit viel Alleinsein. Dass sie keinen Freund hat und keine Beziehung führen muss, scheint Anna recht glücklich zu machen.

Doch dann lernt sie Markus Ebental kennen, der an einem berühmten Wiener Gymnasium Deutsch und Geschichte unterrichtet. Ihre Empfindungen ihm gegenüber sind mit jenen für Julian, den sie wie eine Wahnsinnige geliebt hat, kaum vergleichbar. Denn plötzlich sieht sie in jeder Art der Bindung für ihre Kunst eine potentielle Gefahr. Deshalb weist sie Markus auch immer wieder zurück. Der allerdings wischt ihr Nein mit einem lässigen Gähnen einfach weg und lebt in der Vorstellung, sie – und keine andere – sei die Richtige für ihn. Auch wenn sie ihm gegenüber immer bösartiger und feindseliger wird: Markus lässt sich von seinem Vorhaben, Anna erobern zu wollen, nicht abbringen. Ihr größter Fehler ist, aus Mitleid immer wieder zuzulassen, dass Markus (den sie eigentlich gar nicht liebt) ihr viel zu nahe kommt. Er aber glaubt, dadurch über sie verfügen zu können. Und wo er meint, Beziehungstiefe zu sehen, sieht Anna nur Flachheit: Weder hat er ihre Kunst jemals ernst genommen, noch das Mindeste von ihrem Innenleben begriffen, sondern sich ausschließlich von seinem Wunsch nach einer festen Beziehung leiten lassen, ist er doch der einzige unter seinen Freunden, der noch unverheiratet und kinderlos ist.

Simon Konttas, der (wie er sagt) seine Romane sehr genau im Vorfeld plant, sie dann aber recht zügig schreibt (ein halbes Jahr an der Skizze und am Handlungsverlauf arbeitet und den Text dann in vier Wochen fertigstellt), schildert diesen Prozess des Sich-klar-Werdens mit großem Einfühlungsvermögen. Er versetzt sich dabei in die Rolle von Anna Krobal, die aus der Ich-Perspektive ihr Leben und ihre Beziehung zu zwei komplett verschiedenen Männern analysiert und der es dabei vor allem darum geht, ihre Gefühle und Zweifel aufzuschreiben und weniger, sich über das Verfassen eines Romans zu profilieren oder gar wichtig zu machen. Dementsprechend nennt sie das Ganze: Aufzeichnungen. Im Mittelpunkt derselben steht, was ihr in einer bestimmten Lebensphase widerfahren ist. Sie beschreitet dabei den Weg des Durchschauen-Wollens. Schreiben wird quasi zur Therapie, erkennt Anna doch, dass Markus sie primär nur als Schmuck und Accessoire gesehen hat.

Wie intensiv der Autor dabei die Psyche seiner Protagonistin umkreist, das nährt in besonderer Weise auch den Faktor Spannung und zeigt ganz nebenbei die Schwächen klassischer Beziehungs- und Verhaltensmuster auf, wie sie ein Bildungsbürgertum in Reinform offen zelebriert, aber in vollkommener Ignoranz der Tatsachen annimmt, etwas Besseres zu sein: Hauptsache man hat genug am Konto. Am Ende eines langen Erzählweges gelingt es Simon Konttas in der Seele des Lesers bzw. der Leserin das Gefühl von Tragik hervorzurufen. Er schafft es, die zwischen zwei Menschen schwebende Feindseligkeit so zu beschreiben, dass sie als der eigentliche Moment ihres Daseins empfunden werden kann.

So wird Markus, der sich dem Drill seiner Eltern mit aller Gewalt jahrelang widersetzt und sich einbildet, ein Dichter zu sein, erst über Anna bewusst, dass er im Grunde nichts anderes ist als ein normales Bürgersöhnchen. Aber bürgerliches Besitzdenken hat dort, wo es um Beziehung und Freundschaft geht, nichts verloren. Hier ist es vielmehr notwendig, dass man, um sich nicht in Halbheiten und Lügen zu verlieren, – in gleicher Weise wie die eigenen – auch die Wünsche und Phantasien des bzw. der anderen sieht und versteht. Nur so vermag sich harmonische Partnerschaft zu entwickeln. Umso wichtiger ist es daher, immer zu reflektieren und sich der Wahrheit zu stellen. Das zeigt Simon Konttas eindringlich und klar. Und mit einer Offenheit, die begeistert.
Andreas Tiefenbacher

Konttas, Simon - Trautes Heim
Roman. Wien: Edition Sonnberg 2022. 294 S. - br. : € 14,80 (DR) ISBN 978-3-9504320-6-0

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