Kracht, Christian - Air

Kracht, Christian - Air

Veröffentlicht am 24.06.2025

Eine Reise durch „Game of Thrones“-artige Welten zwischen Traum und Wirklichkeit.

„Das Leben war voller Sorgen, aber auch nicht wirklich. Es war eine Zeit, in der viele Dinge schnell erworben und dann wieder vergessen wurden." Paul lebt in Stromness, dem fast äußersten Ort auf den Orkney Inseln, einem idealen Sehnsuchtsort für so manchen stressgeplagten Großstädter. Paul kann es sich leisten, hat er sich durch das Finden des richtigen Rottons für das Schloss des Herzogs von Cumberland nunmehr einen Namen als Innenausstatter gemacht und wird zu den angesagtesten Aufträgen weltweit eingeflogen. Die Anspielung auf Krachts Protagonisten aus „1979“ ist nur eine von unzähligen, die in diesem Roman folgen werden.

Während dieser in „1979“ im chinesischen Straflager landet, führt Paul ein „askepistisches“ Leben – der einzige Luxus: mit seinem Waffenrad und recyclten Wollpullover gegen den tosenden Wind zu fahren, um sich einen Laib Sauerteigbrot von der örtlichen Bäckerei zu holen. Parallel dazu setzt die Geschichte Ildrs ein, einem Mädchen, das nicht von ungefähr an Arya Stark aus „Game of Thrones“ erinnert und bei der Jagd einen Mann anstelle eines Rehs trifft. Sie rettet den Fremden, der aus einer anderen Welt zu kommen scheint. Paul ist gerade auf dem Weg nach Norwegen, um dem Green Mountain Data Centre das perfekte Weiß zu verpassen. An diesem Unort, an dem die Speicher durch Fjordwasser gekühlt werden, kommt es während der Begehung zu einer Sonneneruption und Zeit und Raum geraten gehörig durcheinander.

Ildr und der Fremde flüchten vor einem Herzog und begegnen schließlich Cohen, dem Chefredakteur des Interieur-Magazins „Küki“, das Paul für den Job in Norwegen kontaktiert hat. Die Reise durch „Game of Thrones“-artige Welten zwischen Traum und Wirklichkeit entwickelt einen magischen Sog, auf den es Kracht sichtlich angelegt hat. Die leserfreundliche Schriftgröße und die verbleibenden leeren Seiten am Ende des Buches zeigen, dass er dieses schwebende Szenario wohl nicht länger durchgehalten hätte. Nach knapp 215 Seiten endet die Reise in Orwells letztem Refugium Barnhill auf der Insel Jura auf den inneren Hebriden. Eigentlich schade. Ein Feuerwerk an Anspielungen, das die Kritik zu Querverweisen, Assoziationen inspiriert und der Leserschaft ein kurzweiliges Lesevergnügen beschert, eine Brise Zeitgeist in Kracht-Manier und wie eingangs zitiert: „Es war eine Zeit, in der viele Dinge schnell erworben und dann wieder vergessen wurden.“
Julie August

Kracht, Christian - Air
Roman. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2025. 215 S. - fest geb. : € 26,95 (DR) ISBN 978-3-462-00457-1

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