Lahme, Tilmann - Thomas Mann

Lahme, Tilmann - Thomas Mann

Veröffentlicht am 18.07.2025

Ein Leben. 

„Sein Leben, seine Literatur und seine Tagebücher erzählen die fesselnd-traurige Geschichte eines Mannes, der nicht lieben darf.“ So heißt es im Schlussabsatz von Tilmann Lahmes umfangreicher und aufschlussreicher Biografie über Thomas Mann, der zu den ganz großen Schriftstellern der Weltliteratur gehört und 1929 den Literaturnobelpreis für seinen Roman „Buddenbrooks“ bekam.

Vor 150 Jahren – im gleichen Jahr wie Rainer Maria Rilke – wird Thomas Mann in Lübeck geboren, verlässt die Stadt als 19-Jähriger und hat bereits prägende Erfahrungen gemacht, die ihn ein ganzes Leben begleiten. Seine heftige homoerotische Zuneigung zu einem Mitschüler, dem er Gedichte schreibt, wird zurückgewiesen und damit wird er zum Gespött des Schulhofes. Er vertraut sich in seinen Briefen immer wieder seinem Schulfreund Otto Grautoff, der ebenfalls homosexuell ist, an und will diese „Anomalie“ mit strenger Selbstdisziplin ausmerzen. Thomas Mann will seinem Leben eine feste Form geben, ein künstlerisches und „künstliches“ Leben führen und in einer bürgerlichen Ehe als literarisch erfolgreicher Schriftsteller gesellschaftlich anerkannt werden.

Den großen Durchbruch erzielt er 26-jährig mit seinem Roman „Buddenbrooks. Verfall einer Familie“, in dem er die Geschichte von tüchtigen Kaufleuten erzählt, deren geschäftliches Geschick von einer Generation zur nächsten abnimmt. Hanno, der jüngste, feinsinnige Spross der Familie fühlt sich zu seinem Freund Kai hingezogen und hat keine Kraft, ein bürgerliches Leben zu führen. Thomas Mann arbeitet beständig an seiner Außenwirkung, überlässt nichts dem Zufall und weist etwa seinen Jugendfreund Otto Grautoff genau an, wie er seine Rezension des Romans zu gestalten hat. Auch auf die Verleihung des Nobelpreises arbeitet er beständig hin, indem er seine vielfachen Beziehungen spielen lässt.

Tilmann Lahme zeichnet die bewegte Lebensgeschichte von Thomas Mann vor allem vor dem Hintergrund seiner unterdrückten Homosexualität nach, die er in so erfolgreichen Novellen wie „Tonio Kröger“ und später „Der Tod in Venedig“ verarbeitet. Aber auch seine politischen (Irr)Wege kommen zur Sprache, zum Beispiel die Begeisterung für den Ersten Weltkrieg und die deutsch-nationale Einstellung, die zu einem Zerwürfnis mit seinem Bruder Heinrich Mann führt.

Mit Katia Mann hat er eine tüchtige Frau zur Seite, die ihm sechs Kinder schenkt, nach und nach zwar seine homoerotischen Neigungen durchschaut, aber das Familienschiff geschickt durch die Jahrzehnte lenkt und ihm auch in den Jahren des Exils in den USA eine unentbehrliche Stütze bleibt. Im amerikanischen Exil gilt der Autor des erfolgreichen „Zauberberg“ als „the greatest living man of letters“, ab 1940 schreibt er für die BBC Radioreden, die nach Deutschland gesendet werden und in denen er klar über Nazi-Verbrechen und die Grauen der Judenvernichtung spricht. Bis ins hohe Alter plagen den Schriftsteller unerfülltes sexuelles Begehren und die Nebenwirkungen seines Tablettenmissbrauchs, mit dem er nach außen hin für Stabilität sorgen will.

Tilmann Lahmes Biografie zeigt uns einen nicht immer sympathischen Menschen, dessen Werk in einem anderen Licht erscheint, wenn man um sein unterdrücktes Lebensgeheimnis weiß. Er beleuchtet alle wichtigen Novellen und Romane, räumt aber auch den Tagebüchern und Briefen ihren gebührenden Platz ein und macht Lust, Thomas Manns Texte wieder bzw. neu zu lesen. Größere Bestände sollten diese Biografie ihren Leserinnen und Lesern unbedingt anbieten.
Ida Dehmer

Lahme, Tilmann - Thomas Mann
Ein Leben. München: dtv 2025. 588 S. - fest geb. : € 29,95 (BI) ISBN 978-3-423-28445-5

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