Ma, Ling - Glückscollage

Veröffentlicht am 28.03.2025
Surreale Kurzgeschichten über Identität und Zugehörigkeit.
Alles beginnt mit Adam: In der ersten Geschichte ist er ein Ex-Freund, der die Protagonistin blutig schlägt und auf den eine wilde Jagd beginnt. Und alles endet mit Eve: In der letzten Erzählung wird sie in einer dystopischen Welt, auf surreale Art und Weise, ein Kind gebären. Die biblische Allusion, die Hand in Hand mit ihrer Verzerrung geht, bildet dabei einen durchaus passenden Rahmen für Ling Mas zweites Buch, eine Sammlung von acht Kurzgeschichten. In deren Mittelpunkt steht dabei oft eine grotesk-fantastische Verfremdung der Realität. Widerspiegeln soll sie, so scheint es, die Intensität und Verwirrungen, die in der Beziehung zu anderen Menschen - und letztendlich auch zu sich selbst - auftreten können.
Obwohl die Erzählungen durch diese Strategie im ersten Moment etwas desorientierend wirken, sind sie doch eindrucksvoll. So treffen wir in „Rückkehr” eine junge Frau, die in einem Flugzeug erwacht und feststellt, dass ihr Ehemann ohne sie weitergereist ist. Sie findet sich nun alleine im Flughafen des kleinen Landes Garboza wieder, das aussieht „wie ein Brueghel-Gemälde”, und versteht nur langsam, welche alten Rituale ihren Mann dazu bewogen haben, den Weg in seine Heimat anzutreten. Andere Erzählungen spielen in New York, das durch eine Droge gebeutelt wird, die Personen zu Geistern machen kann, oder in Los Angeles, wo die wohlhabende Protagonistin mit ihrem Ehemann, ihren Kindern und ihren 100 Ex-Freunden in einem Haus lebt (die Ex-Freunde haben den größten Flügel). In „Sprechzeiten” wiederum findet sich im Wandschrank eines Universitätsbüros ein Weg in eine andere Welt, die immer dunkel, ruhig und still ist, und in die es so einfach wäre, eines Tages zu verschwinden.
Ma, die in China geboren wurde und in den USA aufwuchs, thematisiert so auf geschickte Art auch immer wieder Fragen von Migration und Identität, denn viele ihrer Protagonist:innen oder deren Vorfahren sind ebenfalls Einwanderer. Wie präsent ist also stets die eigene Vergangenheit, sei sie individuell oder kulturell? Ist das Selbst so brüchig, dass der eigene Körper sich buchstäblich im Äther auflösen kann? Und wieso fühlt man sich manchmal in seinem Umfeld so verloren, dass ein Schritt in eine fremde Welt verführerisch klingt? Antworten sind nicht leicht zu finden, aber Mas Erkundung dieser komplexen Fragen zeigt sich kreativ, pointiert und intelligent, und ist definitiv eine Reise in das groteske Unbekannte wert.
Lisa Edelbacher
Ma, Ling - Glückscollage
Hamburg: CulturBooks 2024. 216 S. - fest geb. : € 24,50 (DR) ISBN 978-3-95988-189-0 Aus dem Amerikan. von Zoë Beck