Manker, Paulus (Hg.) - Die letzten Tage der Menschheit von Karl Kraus
Veröffentlicht am 01.12.2024
Dramatische Chronik des Ersten Weltkriegs in 1500 Photographien.
In „Die letzten Tage der Menschheit“ lässt Karl Kraus in mehr als 200 Szenen eine Unmenge an tatsächlich historischen Figuren und erlesen gefundenen österreichischen und deutschen Typen auftreten als Archetypen von Arroganz, Ignoranz, Größenwahn und Dummheit in der Zeit des Ersten Weltkriegs. Er lässt eine wahrhaft atemberaubende Abfolge von sowohl wahren als auch realistisch nachempfundenen Szenen erstehen, um zu zeigen, wie das alte Österreich in einen herbeihysterisierten Krieg und letztlich in den Untergang gerät.
Paulus Manker hat „Die letzten Tage der Menschheit“ in der „Serbenhalle“ in Wiener Neustadt grandios inszeniert. Nun legt er mit diesem Buch einen unglaublichen Band mit 1500 Fotografien und mit ausgesuchten Textstellen auf 800 großformatigen Seiten vor. In umfangreichen Recherchen in diversen Bibliotheken und Sammlungen hat er eine riesige Fülle von Fotos, Zeichnungen, Zeitungsausschnitten zusammengetragen und sie mit Texten aus dem Stück zu einem voluminösen, detaillierten Panoptikum collagiert. So kann man sich anhand von realen Bildern und Texten aus dem Stück langsam und aufmerksam durch das monumentale Stück von Karl Kraus hindurchlesen und -schauen.
Im Kontrast zu den realistischen Fotos, die vor allem das Grauen des Krieges und eben auch all die Generäle und Politiker, die diesen Horror zu verantworten haben, zeigen, sind all die patriotischen Plakate, die Aufrufe, Kriegsanleihen zu zeichnen oder für Kriegsinvalide zu spenden, sehr oft wunderbare Kunstwerke im Übergang vom Jugendstil zum Art déco von großen Künstlern gestaltet. Deutlich wird dabei auch wieder, wie genial Karl Kraus den Missbrauch der Sprache durch die Journalisten, die dadurch den Missbrauch des Menschen durch die Herrschenden, die Reichen und durch das Militär unterstützen, herausarbeitet. Dieser gemeingefährliche Umgang mit der Sprache ist für ihn der Spiegel für die Schrecken des Krieges.
Viele Namen der Archetypen sprechen schon für sich allein, vom Oberleutnant Beinsteller und dem Hauptmann Niedermacher, der Familie Durchhalter, dem Poldi Fesch, dem Nörgler und dem Optimisten oder dem General Kaiserjägertod. Die Schauplätze wechseln sich ständig ab und reichen vom Arbeitszimmer des alten Kaisers, dem Restaurant von Anton Grüßer, dem Zimmer des Dichters Kernstock, der elektrischen Bahn Baden–Wien, der Sirk-Ecke oder dem Hauptquartier bis hin zu einem Baum in den Karpaten im Winter.
Als Leser dieses grandiosen Buches (Gewicht: etwa 2,5 kg) ist man überwältigt und berauscht von dem Detailreichtum der Fotos und Illustrationen, der überaus grauenhaften Bilder aus dem Kriegsalltag, den patriotischen Bildchen bis zu den Karikaturen von großer künstlerischer Qualität und zugleich erbarmungsloser Schärfe, den die Texte um nichts nachstehen.
Peter Klein
Manker, Paulus (Hg.) - Die letzten Tage der Menschheit von Karl Kraus
Dramatische Chronik des Ersten Weltkriegs in 1500 Photographien. Wien: Marstheater 2024. 800 S. : zahlr. Ill. (farb.) - fest geb. : € 59,95 (PL) ISBN 978-3-200-09794-0