Matar, Hisham - Meine Freunde

Matar, Hisham - Meine Freunde

Veröffentlicht am 08.12.2025

Ist fern von Zuhause ein halbwegs glückliches Leben möglich?

Als der 17-jährige Khaleb ein Stipendium für einen Studienplatz in Edinburgh bekommt, ahnt niemand, dass er seine Familie erst neun Jahre später wieder sehen wird und nicht mehr in sein Land zurückkehren kann, weil er sich die Feindschaft des Gaddafi-Regimes zugezogen hat.

Was ist passiert? Sieben Monate nach seiner Ankunft in Edinburgh beschließen Khaleb und sein Freund Mustafa, in London vor der libyschen Botschaft gegen die Tyrannei in ihrem Heimatland zu protestieren. Da eröffnen Schützen aus dem Botschaftsgebäude das Feuer und die beiden jungen Männer werden schwer verletzt. Mit einem Schlag hat sich ihr Leben verändert. Sie bekommen politisches Asyl, und nur das Band ihrer Freundschaft gibt ihnen den Halt, den sie brauchen, um abgeschnitten von ihrer Familie zu überleben.

Jahre später lernt Khaleb einen weiteren libyschen Exilanten kennen. Es ist Hosam Zowa, der Schriftsteller, dessen regimekritische Kurzgeschichte er einst mit seinen Eltern im Radio hörte. Sie faszinierte ihn derart, dass er beschloss, Literatur zu studieren. Hosam zieht nach einem längeren Aufenthalt in Paris wieder zurück nach London, dem Zentrum arabischer Exilanten, und freundet sich auch mit Mustafa an.

Immer wieder stellen sich die drei Männer die Frage, ob fern von Zuhause ein halbwegs glückliches Leben möglich ist. Die Sehnsucht nach der Familie, nach dem Meer, dem Duft der libyschen Gärten, dem Geschmack libyscher Gerichte ist oft so überwältigend, dass jeder sich wie vor einem Abgrund fühlt, den er auf seine eigene Art überwinden muss. Anfang 2011 verspricht der Arabische Frühling Hoffnung auf einen Regimewechsel. Mustafa und Hosam schließen sich dem Befreiungskrieg an. Khaleb, jetzt Lehrer in London, ist zerrissen zwischen dem Wunsch, heimzukehren, und der Angst davor, dort wieder von vorne beginnen zu müssen, denn die Jahrzehnte im Exil haben ihn verändert.

Die vielschichtige Handlung des Romans erzählt der Autor nicht chronologisch. Am Beginn steht das letzte Treffen zwischen Khaleb und Hosam, der in die USA auswandern will. Die beiden verabschieden sich am Bahnhof Kings Cross, Hosam fährt nach Paris und Khaleb wandert stundenlang durch London, bis er – am Ende des Romans – in seiner Wohnung mit dem Gefühl ankommt, „als schlösse ich ein Buch mit einem undramatischen Ende.“ Hisham Matar, der auch Autobiografisches verarbeitet, hat mit „Meine Freunde“ ein großartiges Buch geschrieben, dessen politische Relevanz, gepaart mit überzeugender Einfühlsamkeit, viele Leserinnen und Leser begeistern wird.
Ida Dehmer

Matar, Hisham - Meine Freunde
Roman. München: Luchterhand 2025. 544 S. - fest geb. : € 27,95 (DR) ISBN 978-3-630-87787-7 Aus dem Engl. von Werner Löcher-Lawrence

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