Merz, Konrad - Ein Mensch fällt aus Deutschland
Veröffentlicht am 22.10.2025
Eine gefährliche Flucht vor den Nationalsozialisten.
Deutschland, ab Ende 1933 bis Dezember 1934. „Schlafe mein Kind, schlaf fein, die Staatspolizei gedenkt dein …“ Der Vater des jungen Winter ist für Deutschland gefallen, sein Sohn, ein Werkstudent, „fällt aus diesem Deutschland“, in dem die Nationalsozialisten und Hitlerjünger immer mehr das Sagen haben, die Bevölkerung drangsalieren und Gewalttaten an der Tagesordnung sind.
Nicht alle Menschen nehmen das so hin! Vor allem regt sich unter den jungen Menschen teilweise heftiger bis gewaltsamer Widerstand gegen diese Schreckensherrschaft. So auch bei „Heini“, einem Freund Winters, der leichtsinnigerweise in eine Verschwörung gegen das nationalsozialistische Regime verwickelt wird und nach deren Aufdeckung Selbstmord begeht. Bei dem Toten findet sich allerdings der Name seines Freundes und Weggefährten. Demnach muss der junge Winter eine gefährliche Flucht aus seiner Heimat in das benachbarte Holland antreten. Es kommt für ihn aber anders als erwartet! In diesem wohlhabenden und friedlich gesinnten Land wird Winter als vorurteilsbehafteter „Deutscher“ angesehen und eine Integration nicht gerade leicht gemacht.
Der Roman „Ein Mensch fällt aus Deutschland“ ist bereits im Jahr 1936 beim Querido Verlag in Amsterdam erschienen und hat in Zeiten wie diesen an Aktualität nichts eingebüßt. Der Autor schildert in Form von Briefwechseln, Tagebucheintragungen, Notizen und äußerst bildhaften Alltagsberichten den harten Überlebenskampf Winters und die überlebenswichtige Pflege seiner raren Beziehungen und Kontakte zur Mutter, Freundin und Freunden in Deutschland.
Der Roman ist ob seiner Aktualität nicht nur ein absolut lesenswertes Zeitdokument, sondern gerät durch seine unkonventionelle Art der Sprache voll verspielter, aber sarkastischer Wortspielereien, denen man sowohl ungezügelte Sprachlust sowie auch depressive Ausweglosigkeit ablesen kann und durch die ungeschönte Darstellung herber Alltäglichkeiten zu einem Leseerlebnis, dem man sich nicht entziehen kann. Besonders durch den wiederholten Einbezug von oft schwer deutbaren Fragmenten holländischer Alltagssprache gelingt es dem Autor ungemein berührend an die endgültig unüberbrückbare Distanz des jungen Mannes zu seinen Liebsten, seinen Freunden und nicht zuletzt an seine Heimat Deutschland zu erinnern. Mein Anliegen: Bitte, lesen Sie das Buch, es lohnt sich wirklich!
Adalbert Melichar
Merz, Konrad - Ein Mensch fällt aus Deutschland
Nachw. von Klaus Mann. Frankfurt: S. Fischer 2025. 205 S. - fest geb. : € 16,95 (DR) ISBN 978-3-596-71191-8

