Mora, Terézia - Muna oder die Hälfte des Lebens
Veröffentlicht am 11.02.2024
Roman um eine Frau, die allen Widerständen zum Trotz an ihrer schmerzhaften und ambivalenten Liebe festhält.
Muna stammt aus der ostdeutschen Provinz aus einer Stadt namens Jüris. Ihre frühe Jugend liegt in der Vorwendezeit: Den Vater verliert sie früh an Lungenkrebs. Die Mutter, eine Schauspielerin mit Hang zum Alkohol und zum Exzess, trägt dazu bei, dass Muna früh das Weite sucht. Sie ist jung und attraktiv, lebenshungrig und kreativ, engagiert und gutaussehend. Die besten Voraussetzungen, um ins Leben zu starten.
Doch in ihrem Kopf haben sich Gedanken an Magnus, einen Französischlehrer, den sie nach einer einmaligen, intimen Begegnung nicht vergessen kann, obsessiv verankert. Dieser setzt sich jedoch kurz vor der Wende bei einem Fahrradausflug in Ungarn ab. Der Mann wird sie gedanklich nicht mehr loslassen, egal welche aufregenden Begegnungen sie bei ihren Studienaufenthalten in Berlin, London und Wien auch macht.
Muna studiert, arbeitet als Au Pair, bringt sich mit prekären Unijobs durch und beginnt schließlich eine Dissertation über Weiblichkeitskonstruktionen in den Texten exilierter Autorinnen. „Ich sei ihm, NC, doch gerade deswegen aufgefallen, weil ich Sätze schrieb, die so aussahen, als stünde da jemand hinter ihnen. Noch nicht ganz, ich war ja noch Studentin, ich war jung, aber man sah schon, dass ich dabei war, mich hinzustellen und etwas zu sagen.“ Sie schließt Freundschaften und findet immer wieder (vorwiegend) Mentoren, die ihr Talent wahrnehmen.
Nach sieben Jahren begegnet sie Magnus wieder und sie werden ein Paar. Das Ungleichgewicht dieser Liebe, das von Beginn an gegeben ist, setzt sich konsequent fort. Muna hält an dieser Liebe fest, allen Widerständen zum Trotz. Sie passt sich an, förmlich bis zur Selbstaufgabe, verstrickt sich in Abhängigkeiten und kann einfach nicht loslassen, auch nachdem Magnus ihr mehrmals körperliche Gewalt antut: „Wieder musste er meinetwegen mehrere Tage in der Wohnung festsitzen. Als ich zu mir kam, hatte er mein Handy und meinen Laptop schon aus meiner Reichweite geschafft und die Klinke am Schlafzimmer abmontiert. Er hatte die Jalousien heruntergelassen, aber nicht ganz geschlossen, so dass noch Licht hereinkam. Dadurch wusste ich, dass er mir auch diesmal verzeihen würde, ich müsste nur warten.“ Danach verschwindet er wieder und Muna startet in die zweite Lebenshälfte als Buchhändlerin und angehende Autorin.
Die Entstehung und Entwicklung ihrer Ideen für ihre geplante Trilogie mit weiblichen Hauptfiguren hätte Mora nicht furioser starten können. Eine durch und durch schmerzhafte, ambivalente und packende Lektüre erwartet die Leserschaft. In ihrem Tage- und Arbeitsbuch „Fleckenverlauf“ lassen sich einige ihrer Gedanken und Überlegungen zu ihren Figuren, zu denen sie ein enges Verhältnis pflegt, dafür noch besser verstehen und zeigen, was Mora zu einer der besten ihrer Generation macht. Ihr Verständnis und Umgang mit Sprache und das Hinterfragen eigener internalisierter Vorurteile und misogyner Reflexe, die Verachtung von Opfer – und der Anspruch immer besser zu werden, zeichnen diese kluge und warmherzige Autorin aus.
Julie August
Mora, Terézia - Muna oder die Hälfte des Lebens
Roman. München: Luchterhand 2023. 448 S. - fest geb. : € 26,50 (DR) ISBN 978-3-630-87496-8