Padura, Leonardo - Anständige Leute
Veröffentlicht am 14.11.2024
Kriminalroman aus Kuba.
Das ist mir auch noch nie passiert: Nach dem Lesen von “Anständige Leute” hatte ich noch immer nicht die leiseste Idee, wie ich meine Rezension zu diesem Buch anlegen würde. Normalerweise überfallen mich die Ideen dazu schon reihenweise während des Lesens eines Buches, und ich muss sie regelmäßig um etwas Geduld bitten, bevor ich mich für die eine oder andere entscheide. Daher habe ich hier nun etwas gemacht, das ich sonst nie mache. Ich habe das Internet befragt und bin auf eine Vielzahl von Lobpreisungen und Huldigungen des Autors und seines Werks gestoßen, die mich schließlich aber doch nicht ganz sprachlos gemacht haben. Lesen Sie daher in der Folge eine kleine Sammlung von Auszügen aus Rezensionen berufener Literaturexpert:innen und sehen Sie mir bitte meine eventuell unqualifizierten, aber ehrlichen Anmerkungen dazu gütig nach.
„Man kann ‚Anständige Leute‘ nicht nur als Mördersuche lesen, sondern auch als politischen Roman, der hinter die Kulissen eines korrupten und kriminellen Regimes schaut. Besonders originell: Padura liefert zwei Krimis in einem. Condes (das ist die Hauptfigur in Paduras Krimireihe; Anmerkung des Rezensenten) literarische Suche nach einem Prostituierten-Killer ist mindestens genauso spannend wie seine Mordermittlung und sogar noch süffiger geschrieben. Leonardo Padura hat mit ‚Anständige Leute‘ zu alter Form zurückgefunden.“ (Eva Karnofsky, WDR 5)
Ja, der Plot mit seinen zwei Zeitebenen ist zweifellos recht originell, den angesprochenen Blick hinter die Kulissen eines korrupten und kriminellen Regimes habe ich eher nur getrübt wahrgenommen. Und ein für mich gut vorstellbarer dynamischer Spannungsaufbau der beiden Geschichten geht leider in den ausschweifenden, aber sprachlich zweifellos gekonnten Schilderungen des alltäglichen Überlebenskampfes der Menschen völlig unter.
„Leonardo Padura präsentiert ein Kuba-Bild, das wenig mit der üblichen Salsa- und Son-Romantik zu tun hat. Er bedient sich in einer populären Form der Erzählweisen seiner postmodernen südamerikanischen Kollegen: Perspektiven überlagern sich, Zeitebenen verschwimmen, Figuren werden mal in der Ich-, mal in der Er-Form erzählt. Dass bei so viel Erinnerung der Kriminalfall zur Nebensache wird, stört kaum. Denn Kuba hat auch im Winter mehr zu bieten als Verbrechen und Polizisten, Zigarren und Rum.“ (Frank Barsch, Meier. Das Stadtmagazin, Mannheim)
Also das mit dem „Verschwimmen“ kann ich voll bestätigen. Wenn man nicht mit voller Konzentration und am besten in einem Schwung die fast 400 Seiten liest, verliert man extrem rasch den Über- und Durchblick über Personen und Handlung. Dass der Kriminalfall hier nicht nur zur Nebensache wird, sondern für mich fast jede erzählerische Bedeutung verliert (und erst auf den letzten 50 Seiten dann intensiv abgehandelt wird), hat mein Lesevergnügen auch massiv geschmälert.
„Leonardo Padura wirft einen kompromisslosen Blick auf die kubanische Realität.“ (Christian Desmeules, Le Devoir)
Zumindest dieser Aussage kann ich mich zu 100 Prozent anschließen! PS: Auszug aus dem Klappentext des Verlags: Inmitten der Aufbruchstimmung ermittelt Conde in einem unliebsamen Fall: Ein berüchtigter Kunst-Zensor wird tot aufgefunden, ein Mann, der etliche Leben zerstörte. Gleichzeitig vertieft sich Conde in eine kubanische Legende: 1909, als der Halley’sche Komet für Weltuntergangsstimmung sorgt, entzündet ein Mord im Rotlichtmilieu eine Fehde zwischen zwei Gangsterbossen. Zu Condes Überraschung ergeben sich zwischen Gegenwart und Vergangenheit ungeahnte Verbindungen.
Gerald Wödl
Padura, Leonardo - Anständige Leute
Kriminalroman. Zürich: Unionsverlag 2024. 400 S. - fest geb. : € 27,50 (DR) ISBN 978-3-293-00621-8 Aus dem Span. von Peter Kultzen