Palm, Kurt - Trockenes Feld

Palm, Kurt - Trockenes Feld

Veröffentlicht am 08.10.2024

Tiefe Einblicke in eine komplexe Familiengeschichte.

Der als Sohn jugoslawischer Einwanderer 1955 in Vöcklabruck (Oberösterreich) geborene Kurt Palm ist seit den 1980er Jahren beruflich als Buchautor, Regisseur sowie Theater- und Filmemacher in Österreich erfolgreich. Und das ist keineswegs selbstverständlich, wenn man die mit „Trockenes Feld“ von ihm vorgelegte Familiengeschichte liest. Palm beschreibt darin die Lebensgeschichten seiner nächsten Angehörigen, und wie diese auch immer seine eigene geprägt haben.

Da wird etwa von der traumatisierenden Vertreibung seiner „volksdeutschen“ Eltern von ihrem Bauernhof im kroatischen Heimatort Kapan berichtet, ihrem Streben nach wirtschaftlichem Aufstieg und sozialer Zugehörigkeit in der neuen Heimat Oberösterreich, dem verletzenden Druck zur Assimilation und nicht zuletzt von verstörenden Suiziden verschiedener ihm nahestehender Menschen, allen voran dem seines Bruders Reinhard.

Und dazwischen beschreibt er den eigenen Lebensweg als seine persönliche Emanzipation von eben diesen ihn umgebenden Schicksalen, wohl wissend, dass für sein „besseres” Leben der bloße Zufall einen Gutteil der Verantwortung trägt. Vom Ministranten über die Mitgliedschaft im Kommunistischen Studentenverband bis zum ersten Akademiker (Dr.phil mit einer Dissertation über Bertolt Brecht und Österreich) in der Familiengeschichte führte dabei sein Weg in jungen Jahren.

Für all diese Beschreibungen schöpft er aus einem scheinbar unendlichen Fundus an Quellenmaterial, wie etwa den eigenen Schul- und Mitteilungsheften, Tagebüchern, behördlichen Schriftstücken, Reiseberichten und Gesprächsaufzeichnungen mit Verwandten und Bekannten aus der Heimat seiner Eltern, und ergänzt diese dann auch noch mit Literaturzitaten, eigenen Gedichten und fiktionalen Elementen, wie etwa einem Interview mit sich selbst.

Daraus formt Palm eine Kapitelstruktur, die aus diesen vielen kleinen und größeren Einzelobjekten kaleidoskopartig in nichtchronologischer Abfolge schließlich ein Gesamtbild seiner Familiengeschichte ergibt. Wie nahe er damit der Wahrheit kommt, lässt er selbst offen, wenn er gleich in der Einleitung ein Zitat von Werner Herzog anführt: „Es gibt keine Wahrheit in der Erinnerung.” „Jede Familie hat ihr Lebensthema“, schreibt Palm. „Bei der einen Familie ist es die Arbeit, bei der anderen der Alkohol, bei der Dritten der Suizid, bei der vierten der Verlust. In meiner Familie war von allem etwas dabei.“

Kurt Palms „Trockenes Feld“ konfrontiert seine Leser:innen mit tiefen Einblicken in eine komplexe Familiengeschichte, die sowohl schmerzliche als auch inspirierende Facetten umfasst. Das Buch verlangt eine emotionale und intellektuelle Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit teils unbequemen Themen, belohnt jedoch die investierte Mühe mit einer berührenden, vielschichtigen Erzählung, die auch zur Reflexion des eigenen Lebenswegs anregt.
Gerald Wödl

Palm, Kurt - Trockenes Feld
Roman. Graz: Leykam 2024. 302 S. - fest geb. : € 25,95 /DR) ISBN 978-3-7011-8343-2

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