Paul, Bernhard - Meine Reise zum Regenbogen

Paul, Bernhard - Meine Reise zum Regenbogen

Veröffentlicht am 29.04.2023

Die Autobiografie des Roncalli-Gründers

„Wenn man keine Träume hat, hat man aufgehört zu leben“, so beginnt Bernhard Paul seine Autobiografie. Er hatte seinen Traum vom Circus letztlich erfüllt und schreibt naturgemäß in seinen Lebenserinnerungen ausführlich von ihm. Doch der Erfinder des Circus Roncalli war bereits 28 Jahre alt, als er den Circus zur Welt brachte. In den Jahren bis dahin hatte sich bereits so viel entschieden und entwickelt, so dass sich auf diesem Fundament das Lebenswerk Roncalli überhaupt erst gedeihen konnte.

Er wurde 1947 geboren und wuchs in Wilhelmsburg auf. Schon früh war er fasziniert von den kleinen Circussen, die durch die Provinz tingelten, dem Circus Belli etwa, später durfte er mit seinem Bruder nach St. Pölten, in die nächstgrößere Stadt, und sah zum ersten Mal staunend den phänomenalen Circus Krone. Aus den Schachteln der „Mon Chérie“-Packungen, kleinen Holz-, Plastilin-, Blech- und Stoffstücken bastelten sie zu Hause einen Circuswagen nach. Es war eine typische, durchwachsene Provinzkindheit und -jugend.

Nach der Kremser HTL besuchte er die Graphische (Höhere Graphische Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt) in Wien. Die erste Wohnung bezog er gemeinsam mit seinem Schulkollegen Manfred Deix, und Gottfried Helnwein hieß sein anderer bester Freund. Und natürlich wurde auch nach dem Vorbild der Beatles, den Rolling Stones und Kinks eine Band gegründet. Die erste Band, wo er dabei war, hieß Gerry & The G-Men mit Lukas Resetarits als Sänger und Gitarrist. Parallel zur Graphischen etablierte er sich, der finanziell meist schlecht dastand, als freischaffender Graphiker, etwa für Humanic, entwarf Messestände und Auslagen und designte eigene T-Shirts. Über Deix kam er zum Wochenmagazin „profil“, wo er sich rasch einen Namen machte.

Er kaufte seine ersten ausrangierten Circuswagen, richtete sie in liebevoller Kleinarbeit wieder her, gestaltete sie kunstvoll nach klassischen Kriterien: „Für meinen Circus wollte ich aber genau an seiner Glanzzeit ansetzen und musste deswegen die Reste aus verschiedenen Beständen zusammenführen“. Schon am Beginn war für ihn Circus ein Gesamtkunstwerk, der Circus gab ihm die Möglichkeit Clownerie, Architektur und Kunst, Musik, Abenteuer und Regie, Sammelleidenschaft, Phantasie und Humor „unter ein Zelt zu bringen“. Und dieses Zelt heißt bis heute Roncalli.

1975 dann besuchte ihn in seiner „Waldvilla“, die schon bessere Zeiten gesehen hatte, André Heller und wollte mitmachen: „‘Okay, aber ich brauch‘ noch einiges.‘ ‚Kein Problem‘. Meinte er. Es war eine eigenartige Situation: Heller glaubte, ich als angesehener Art Director, der in einer Waldvilla lebt, muss im Geld nur so schwimmen; und ich dachte mir: ‚Der Sohn vom Zuckerlfabrikant hat sowieso Kohle ohne Ende!“. Und so hievten sie sich gegenseitig hoch. Doch Heller stieg bald aus, als die ersten wirklichen Problem auftauchten – und Paul packte seine ganze Trickkiste und bewies erhebliches Durchhaltevermögen. Und es zeigt seine menschliche Größe, wie er Hellers egozentrisches, den Circus eher beschädigendes Verhalten gentleman-like beschreibt. Nach einigen Krisen wuchs und florierte der Circus, der seinen Namen einem vormaligen Papst verdankt, dann tatsächlich. Paul beschreibt diese, seine eigene Reise zum Regenbogen klug, liebevoll und beeindruckend.

Georg Pichler

Paul, Bernhard - Meine Reise zum Regenbogen

Die Autobiografie des Roncalli-Gründers. Wien: Brandstätter 2022. 288 S. : zahlr. Ill. - fest geb. : € 26,00 (BB) ISBN 978-3-7106-0646-5