Schindlecker, Fritz - Resetarits, Lukas – Krowod

Schindlecker, Fritz - Resetarits, Lukas – Krowod

Veröffentlicht am 29.03.2023

Erinnerungen an eine Jugend

Dieses Buch schrieb Fritz Schindlecker, verkauft wird es jedoch so, als wäre Lukas Resetarits der Autor dieser in der dritten Person geschriebenen Autobiografie. Anlass dafür war wohl der 75. Geburtstag von Lukas Resetarits am 14. Oktober 2022, und so erinnert er sich an die 30 Jahre seines Lebens, in denen er noch kein Kabarettist war. Gewidmet hat er das Buch seinem im April gestorbenen Bruder Willi.

Auf die Welt kam der „stolze Krowod“ als erster Sohn in eine kroatische Familie im burgenländisch-kroatischen Stinatz im Bezirk Güssing, wo er auch die ersten vier Jahre seines Lebens verbrachte. Im Ort gab es keinen Gendarmerieposten, aber sieben Wirtshäuser und die Frauen holten Wasser aus dem Gemeindebrunnen, balancierten sie aufrechten Ganges einen Kübel auf dem Kopf. Für die meisten Besorgungen musste man in das benachbarte Stegersbach fahren (und bis zur Bushaltestelle waren es drei Kilometer). Als zwei Onkel einmal in Stegersbach ein Vokabelheft besorgen sollten, verstanden sie „Kabelheft“ und kamen (zur großen Freude des Buben) mit einem Cowboyheft zurück. Vier Jahre später übersiedelte die Familie nach Wien-Favoriten. Dort erst lernte Erich, so sein Taufname, richtig Deutsch, suchte im Humboldtpark die Kühe und wurde in der Kepler-Kirche Ministrant beim Kaplan Adolf Holl. Die Familie war natürlich streng katholisch.

Später studierte Erich Medizin und Psychologie, arbeitete am Bau und gründete die Beat-Band „Jerry and the G-Men“. Rockstar in Schweden wollte er werden, doch am Weg dorthin blieb er in München hängen, hing als „Gammler“ herum, LSD-Trip inklusive und landete kurzfristig im Gefängnis. Zurück in Wien arbeitete er auf dem Wiener Flughafen und und wurde an den Informationsschalter gesetzt. Die prominentesten Klienten dort waren der Sänger Tom Jones, der es gerade sehr eilig hatte („Where is the men's loo?“), und der junge Peter Handke, der sich nach dem Check-in-Schalter für seinen Flug erkundigte („auch ihm konnte geholfen werden“).

Seine Berufsjahre und seine Erlebnisse beeinflussten die Kabarettlaufbahn von Lukas Resetarits maßgeblich. Um ein ganzes Programm auf die Beine zu stellen, braucht es jedoch mehr. „Am Anfang meiner Tätigkeit habe ich den Satz gesagt: ‚Unterhaltung mit Haltung‘ – und mit Haltung meine ich immer das soziale Engagement.“ Erst mit der Kabarettgruppe Keif (mit Erwin Steinhauer) wechselte er zu seinem zweiten Namen, da es bereits den Liedermacher Erich Demmer gegeben habe, und er wechselte zu seinem zweiten Vornamen. Seither teilt sich sein Bekanntenkreis: Die, die ihn immer schon kennen, nennen ihn bis heute Erich; für alle anderen ist er der Lukas. Sein erstes Soloprogramm hieß „Rechts Mitte Links“ und hatte 1977 Premiere. Damals gabes in Wien kaum eine Kabarettszene. Er spielte seine ersten Programme im Ensemble Theater, das damals im Keller des Konzerthauses eingemietet war (und später auf den Petersplatz übersiedelte). Für einen Kabarettdebütanten war er mit 30 nicht mehr der Jüngste. Für ihn selbst war es das ideale Alter. „30 war für mich die Blüte des Blödelns, und darüber komme ich nicht hinaus“, sagte er 35 Jahre später im Interview. „Es ist mir bewusst, dass ich ein Riesenglück gehabt habe. Was der Rock 'n'Roll für mich war, war ich für die damals stagnierende Kabarettszene in Wien. Das war mein Massel.“ Als er dann in den 80er-Jahren auch noch die Hauptrolle bei „Kottan ermittelt“ übernahm, war er endgültig ein Star (mit all den Schattenseiten: „Der ,Kottan'-Schub hat dazu geführt, dass auch die Trotteln gekommen sind, die sehen wollten, ob's den aus dem Fernsehkastl wirklich gibt“).

Das Buch bietet eine überaus interessante Zeitreise von den 50er in die 70er Jahre, lässt einen die Atmosphäre und die Geschehnisse gleichsam nacherleben. Geschickt ergänzten Fritz Schindelecker und Lukas Resetarits die autobiografischen Geschichten in diesem kurzweilig zu lesenden Buch mit historischen Details jener Zeit ergänzt. Sie wollten „keine Nostalgie, sondern Geschichte“, und das ist ihnen gut gelungen.

Georg Pichler

Schindlecker, Fritz - Resetarits, Lukas – Krowod Erinnerungen an meine Jugend.

Wien: Ueberreuter 2022. 196 S. : Ill. - fest geb. : € 25,00 (BB) ISBN 978-3-8000-7800-4