Schöffling Verlag - Im Mittelpunkt die Autoren

Schöffling Verlag - Im Mittelpunkt die Autoren

Veröffentlicht am 10.09.2022

Von Simon Berger

Die Überraschung war groß, als der Verleger Klaus Schöffling mitteilte, dass sein gleichnamiger Verlag mit nächstem Jahreswechsel vom Schweizer Kampa Verlag übernommen wird. Genau wie der ebenfalls kürzlich vom Kampa Verlag übernommene Salzburger Verlag Jung und Jung wird auch Schöffling & Co. weiterhin autonom agieren, seinen Sitz in Frankfurt am Main beibehalten und auch die Autor:innen und Mitarbeiter:innen werden bleiben. An der programmatischen Ausrichtung des Verlags soll sich nichts ändern, so der Verleger Klaus Schöffling zur Übernahme: „Wir folgten dem Kurs der Autoren, das war so und das bleibt so, das Motto des Verlages war ‚Im Mittelpunkt die Autoren‘, auch das wird bleiben."

Geboren 1954 in Frankfurt, wusste Klaus Schöffling, nach eigenen Angaben, schon als Teenager, dass er Bücher machen will: „Mich hat einfach interessiert, wie das Büchermachen geht“. Er entstammt einer Arztfamilie, Opa, Eltern, Tanten, Onkel, später auch die ältere Schwester wurden alle Ärzte. „Ich war das schwarze Schaf“, sagte er der FAZ in einem raren persönlichen Interview. Lange Zeit hat es das Vater-Sohn-Verhältnis belastet, dass er nicht so wollte wie die Eltern. Klaus Schöffling besucht das Gagern-Gymnasium, ist Teil einer Schülerbewegung und beginnt, politische Literatur zu lesen. Nach dem Abitur entscheidet er sich für eine Lehre und gegen ein Studium. Seine brennende Frage „Wie entsteht ein Buch?“ will er sich professionell beantworten lassen und stellt sich bei der ersten Adresse deutscher Verlage vor, dem Suhrkamp-Verlag. Siegfried Unseld persönlich stellt ihn ein und er beginnt seine Lehre im Verlag. Hier lernt er das Büchermachen von allen Seiten kennen, durchläuft sämtliche Abteilungen und verantwortet zuletzt als Lektor die deutsche Exilliteratur.

Einige Jahre später gründet er mit seiner Frau Ida (sie ist gelernte Buchhändlerin und später Lektorin bei Luchterhand und bei S. Fischer) im Jahr 1987 die Frankfurter Verlagsanstalt. Es entstehen vielbeachtete Bücher von Eva Demski, Burkhard Spinnen, Ror Wolf, Djuna Barnes und Sylvia Plath. 1992 wurden die Verleger Schöffling von einem Finanzier wegen drohender Verluste aus dem Verlag gedrängt.

Die mit ihm solidarischen Autoren ermunterten ihn, einen neuen Verlag zu gründen. Eine Erbschaft der Autorin Eva Demski bringt die glückliche Wendung, sie investiert in den 1994 neu gegründeten Verlag Schöffling & Co. Die meisten Autoren der früheren Frankfurter Verlagsanstalt finden hier ihr neues altes Zuhause. Mit seiner Frau und dem Verlagsteam gelingt es Klaus Schöffling, einen in der Buchszene überaus respektierten, unabhängigen literarischen Verlag zu schaffen mit einem Programm, das auch immer wieder interessante Debütanten hervorbringt und zu Erfolg verhilft. So veröffentlichte hier Juli Zeh ihre ersten Bücher, oder die Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin Inka Parei, Mirko Bonné, Silke Scheuermann, Markus Orths. 

Von Anfang an stehen Autor:innen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur im Zentrum des Programms, wie Gert Loschütz, Helga M. Novak, Michael Roes, Jochen Schimmang, Margit Schreiner, Guntram Vesper, Peter Kurzeck oder Ror Wolf (etwa mit zwei großen Werkausgaben). Daneben finden sich natürlich auch internationale Autor:innen, die immer wieder für Furore sorgen, so der polnische Autor Andrzej Bart, die polnische Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk, die brasilianische Großmeisterin Clarice Lispector, der kolumbianische Schriftsteller Juan Gabriel Vasquez, die Nordirin Eimear McBride. Zwei Schwerpunkte bilden die Literatur des Balkans mit den serbischen Autoren David Albahari, Bora Cosic, Aleksandar Tisma und dem bosnisch-kroatische Autor Miljenko Jergovic, und die amerikanische Literatur etwa mit Jami Attenberg, Amy Waldman, Grace Paley oder Joshua Cohen.

Neben der Pflege von Klassikern wie Peter Altenberg. Sherwood Anderson, Elizabeth Bowen, Jane Bowles, Jean Rhys oder Edith Sitwell ist es den Verlegern ein großes Anliegen, mittlerweile vergessene Bücher wiederzubeleben. „Wenn man ein Buch neu auflegt, muss man dafür einen Anlass schaffen“, erklärt der Verleger und startete zum Beispiel mit Unterstützung der Stadt, Sponsoren und anderen Verlagen sein sehr erfolgreiches Projekt „Frankfurt liest ein Buch“, das mittlerweile viele Städte nachgemacht haben (mitunter auch Wien). Die Liste der Autor:innen, die er für seinen Verlag wiederentdeckt hat, ist beeindruckend: Ulrich Becher („Murmeljagd“), Bernard von Brentano („Thedor Chindler“), Eugène Dabit (Hotel du Nord“), Martin Kessel („Herrn Brechers Fiasko“), Paul Kornfeld („Blanche oder das Atelier im Garten“), Erik Reger („Union der festen Hand“), Jens Rehn („Nichts in Sicht“), Henri-Pierre Roché („Jules und Jim“), Valentin Senger („Kaiserhofstraße 12“), Gabriele Tergit „Effingers“). Und ließe sich fortsetzen. Einen weiteren Schwerpunkt des Verlags bilden Memoiren und Erinnerungen etwa im Bereich der Holocaustliteratur wie Ana Novac („Die schönen Tage meiner Jugend“), Helene Holzman („Dies Kind soll leben“), Seweryna Szmaglewska („Die Frauen von Birkenau“), Zofia Nalkowska („Medaillons“), Renia Spiegel („Tagebuch) und etwa die Erzählungen von Tadeusz Borowski („Bei uns in Auschwitz“).

Daneben spielt auch die Lyrik seit Verlagsgründung eine wichtige Rolle im Verlagsprogramm. Neben Gedichtbänden von Mirko Bonné, Carolin Callies, Nadja Küchenmeister, Helga M. Novak, Ulrike Almut Sandig, Silke Scheuermann, Ron Winkler und Ror Wolf erscheint seit 2017 auch das Jahrbuch der Lyrik bei Schöffling & Co.

Die Herstellung der Bücher gehorcht dabei nach wie vor altherbrachten Qualitätskriterien aus der Lehrzeit des Verlegers. Jedes Buch von ist handwerklich versiert und kompakt gearbeitet, vom Lektorat, dem Satz (dem Schriftbild), der Papierwahl, des Buchbindens und der ästhetischen Gestaltung. Bücher aus dem Schöffling Verlag erkennt man nicht bloß am Namenszug oder Verlagssignet, sondern auch an der besonderen Qualität und Gestaltung.

Richtiggehend Kultstatus erlangt hat der Verlag erlangt durch den seit 1996 erscheinenden Literarischen Katzenkalender, von der Katzenfreundin Ida Schöffling schon im ersten Jahr der Verlagsgründung herausgebracht. Sie bringt ihre eigene Leselust mit ihrem Lieblingstier in Einklang und kombiniert hierbei humorvoll Katzenfotos mit passenden literarischen Zitaten. Oft kopiert und nie erreicht, hängt der „Literarische Katzenkalender“ aus dem Hause Schöffling solcherart bei vielen Katzenfreunden zu Hause an der Wand, spätestens seit Elke Heidenreich ihn hymnisch besprach. Inzwischen kamen auch wunderbare Reise-, Rosen- und Gartenkalender dazu.

Das „ambitionierte Gesamtkonzept“ des Verlags wurde bereits öfters mit dem Deutschen Verlagspreis ausgezeichnet. Und die Verleger versprechen durchaus glaubwürdig, dass die programmatische Ausrichtung des Verlags auch nach der Übernahme durch den Kampa Verlag unverändert erhalten bleibt.