Schrauwen, Olivier - Sonntag

Schrauwen, Olivier - Sonntag

Veröffentlicht am 26.09.2025

Graphic Novel über Schönheiten und Schrecken des Alltags.

Es ist ein Sonntag im Frühherbst 2017, ein nur vermeintlich ereignisarmer, geradezu verlorener Tag im Leben von Thibault, dem Protagonisten von „Sonntag“: Er erwartet die Rückkehr seiner Freundin, summt währenddessen immer wieder einen Song von James Brown vor sich hin, sinniert über Freunde, Familie, Social Media, das Leben, Katzen und verstrichene Deadlines überfälliger Arbeit. Das Sprunghafte seines Gedankenstroms, in der künstlerischen Überformung geschult an namhaften Beispielen der literarischen Moderne, ist Taktgeber und sprichwörtlich roter Faden in Olivier Schrauwens monumentalem Buch.

Auf der Bildebene weicht der belgische Autor von einer Illustration des Textes ab, vielmehr werden hier Momente des Erinnerns und Entwerfens visualisiert. Schrauwen spürt dem menschlichen Bewusstsein nach, er macht die Kontinuitäten und Umwege in der gedanklichen Abfolge ebenso erfahrbar wie die absurden Stränge oder irritierenden Bildwelten menschlichen Geistes: „Natürlich übertreibe ich. Stelle die Ereignisse überspitzt dar. Wie in einem Cartoon.“

Abseits der üblichen Krisenaffinität des Erzählens werden in diesem atmosphärisch dichten Buch Schönheiten und Schreckens des Alltags erfahrbar. Schrauwen, der sich schon in früheren Veröffentlichungen den Themenfeldern Identität und Geschichte(n) gewidmet hat, erweitert mit dieser Graphic Novel die Möglichkeiten des Mediums – spielt er doch nicht nur mit den Relationen zwischen Text und Bild, sondern auch mit dem Verhältnis zwischen dem dargestellten Tag und einem zeitintensiven, aber überaus lohnenden Leseprozess.
Thomas Ballhausen

Schrauwen, Olivier - Sonntag
Zürich: Edition Moderne/Colorama 2025. 472 S. - br. : € 47,50 (DR) ISBN 978-3-03731-276-6

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