Steiner, Wilfried - Die wilde Fahrt des Arthur Rimbaud

Veröffentlicht am 30.04.2023
Über verschiedene Versuche, „Le Bateau ivre“ zu übersetzen
Viele andere Kultstars sind vor allem Kultstars, weil sie früh verstorben sind. Arthur Rimbaud ist zwar ebenso früh verstorben, wäre aber, denke ich, auch wenn er ein volles Menschenalter erreicht hätte, einer der herausragenden Dichterstars geworden. Doch wie viele andere Kultstars wird auch er vor allem von jugendlichen Lesern fanatisch angehimmelt wie sonst nur Rockstars von ihren Fans. Auch Wilfried Steiner kam mit siebzehn Jahren, nach der Veröffentlichung eines eigenen Gedichts in einer „sehr regionalen Zeitschrift“ an Rimbaud nicht vorbei. Er wollte ihn natürlich im Original lesen, da ihm bald bewusst wurde, dass ihm keine Übersetzung „gerecht“ werden konnte. Er war jedoch kaum des Französischen kundig: „Die vier Jahre Freifach im Gymnasium waren für das Verständnis von Rimbaud ungefähr so hilfreich wie die Bauanleitung eines Billy-Regals für die Errichtung der Kathedrale von Reims“.
So machte er sich mithilfe eines Wörterbuchs an die Arbeit einer eigenen Übersetzung, immer im Vergleich mit den damals greifbaren Übersetzungen. Dabei wurde ihm immer unwohler und auch vierzig Jahre später, mit einer neuen, hochgelobten Übersetzung ist ihm „Le Bateau ivre“ naturgemäß nach wie vor „gleichzeitig fremd und vertraut: Je mehr ich darüber gelesen habe, desto rätselhafter erscheint es mir. Seine Schönheit erwischt mich an einem Punkt, der jenseits des Verstandes liegt. So viel Wissen kann ich gar nicht anhäufen, dass ich fähig wäre, es geistig zu durchdringen. Meistens rutsche ich schon an der Schale ab.“ Nur manchmal, „in jenen Stunden zwischen Wachsein und Traum“ schaffen es unscharfe Bilder etwas hochzubringen, „etwas, das vom klaren Bewusstsein verhüllt wird, aber die tiefer gelegenen Schichten der Psyche zum Leuchten bringt“.
Wilfried Steiner gelingt dann nach der versuchten Heranführung an Rimbauds Sprache durch die Darstellung all der verfälschenden Übersetzungen ein schöner, sachlich würdigender und dennoch sich „einfühlender“, nicht vereinnahmender Abriss des kurzen Lebens des Arthur Rimbaud. Er schildert kenntnisreich die Vereinnahmungen mittels „Christus, Gott, der heiligen Kirche“ und die Rolle der Pariser Kommune 1871, Auslöser für nicht wenige Texte voller Zorn und Verzweiflung für Rimbaud. Man kann sich keine bessere Einführung in das Werk und Leben von Arthur Rimbaud wünschen als dieses kleine, schöne Büchlein.
Georg Pichler
Steiner, Wilfried - Die wilde Fahrt des Arthur Rimbaud
Über verschiedene Versuche, „Le Bateau ivre“ zu übersetzen. Innsbruck: Limbus 2022. 59 S. - fest geb. : € 12,00 (BI) ISBN 978-3-99039-225-6