Strubel, Antje Rávik - Der Einfluss der Fasane

Veröffentlicht am 20.06.2025
Eine anerkannte Journalistin gerät in eine Abwärtsspirale.
„Es tat gut, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Die Wahrheit war nackt und rein, und sie glühte so, dass im Badezimmerspiegel ihr roter Abglanz zu erkennen war. Als Hella Karl sich umdrehte, war niemand hinter ihr.“ Hella Karl hat es als Journalistin weit gebracht. Aus einfachen Verhältnissen kommend hat sie es zur Feuilletonchefin der Berliner Abendzeitung geschafft. Den schönsten Mann, mit dem sie je zusammen war, weiß sie an ihrer Seite – Architekt mit Sinn für Atmosphäre und Geschmack.
Für charismatische Männer hat sie eine Schwäche und musste sich selbst eine harte Schale in der Branche zulegen, doch ohne dabei ihre Prinzipien zu verraten. Sie steht für solide und kritische Berichterstattung. Doch der Suizid von Kai Hochwerth, einem einflussreichen Intendanten und eher schon als Theatertyrann verschrien, bringt ein scheinbares Gefüge ins Wanken. Hella hat zuvor in einer Kolumne Missbrauchsvorwürfe angedeutet, die in späterer Folge auch bestätigt werden und Abgründe nicht nur erahnen lassen. Reflexartig erfolgt eine Täter-Opfer-Umkehr wie sie seit der rasanten Social-Media-Entwicklung täglich vorkommt.
Strubel zeigt wie eine anerkannte Journalistin dabei in die Abwärtsspirale gerät, über eigene blinde Flecken in ihrem Selbstverständnis stolpert und schließlich zu Fall, vielleicht sogar tödlichem Fall kommen wird. Wenn auch die titelgebenden Fasane keine nachtaktiven Tiere sind, wird ein Fasanenmännchen am Ende einen wirkungsvollen Auftritt haben. Wie bereits in „Die blaue Frau“ bildet sie gesellschaftliche Verhältnisse ab, die auf den ersten Blick ihre Ordnung und Regeln haben, die im Verhältnis stehen oder gar nicht zusammengehören. Dieses Mal nimmt sie den Kultursektor ins Visier und macht Machtstrukturen und damit verbundene Mechanismen und Dynamiken sichtbar, die im Großen wie Kleinen täglich wirken.
Julie August
Strubel, Antje Rávik - Der Einfluss der Fasane
Roman. Frankfurt: S. Fischer 2025. 240 S. - fest geb. : € 25,95 (DR) ISBN 978-3-10-397171-2