T. Coraghessan Boyle - Die durchgedrehte Seite des amerikanischen Traums

T. Coraghessan Boyle - Die durchgedrehte Seite des amerikanischen Traums

Veröffentlicht am 09.06.2021

Von Simon Berger

T.C. Boyle gehört zu den erfolgreichsten zeitgenössischen US-amerikanischen Autoren unserer Zeit, besonders auch im deutschen Sprachraum. Mit seinen bislang 16 Romanen und 11 Bänden mit Erzählungen steht er regelmäßig auf den Bestsellerlisten und trifft stets wunde Punkte unserer Gesellschaft, da er aus urmenschlichen, grundlegenden Gegebenheiten (wie Gewalt und Sex) und aktuellen Problemen (etwa Naturzerstörung, Drogen etc.) interessante Geschichten voller Esprit mittels wunderbarer Figuren gestaltet.

Dabei hatte er eine absolut schwierige Kindheit. Geboren wurde er als Thomas John Boyle am 2. Dezember 1948 in Peekskill, New York, als Sohn irischer Einwanderer geboren. Den komplizierten Namen Coraghessan nimmt er erst mit 17 Jahren an, inspiriert von einem irischen Vorfahren mütterlicherseits. Sein Vater war Busfahrer, seine Mutter arbeitete als Sekretärin. Beide Eltern waren katholisch, in Waisenhäusern aufgewachsen, schwere Alkoholiker und sterben früh. Den Schul-Abschluss schaffte Boyle, der sich in den letzten Jahren auf der High School einen Ruf als Herumtreiber und Schulversager einhandelte, nur knapp.

Boyle wurde zum Junkie, spritzte Heroin und hörte irgendwann auf, weil er doch Lust aufs Leben hatte. Das Schreiben rettete ihn, sagt er. „Du reißt dir die Brust auf, schwitzt, haderst und blutest, und am Ende hast du etwas in der Hand.“ Dieses Gefühl am Ende – und in der Mitte, wenn er in einen meditativen Zustand gerät und vergisst, dass er arbeitet, Kontrolle über sein Paralleluniversum erhält – macht ihn süchtig. Er ist 17, als er sich den Zweitnamen Coraghessan gibt, nach einem Vorfahren aus Irland. Aus Tom wird „T. C.“.

Während seines Englisch- und Geschichtsstudiums an der State University of New York at Potsdam (das er 1968 mit dem Bachelor of Arts abschloss, entdeckte er die nämlich die Literatur und Autoren wie John Updike, Flannery O’Connor, Gabriel García Márquez, E. L. Doctorow, Thomas Pynchon, Jorge Luis Borges, Julio Cortázar u.a.

Er begann selbst zu schreiben und nahm an Kursen für Creative Writing teil. Nebenbei spielte er in einigen Rockbands. Über diese Zeit berichtet er in seinem autobiografischen Text „The Eleventh Draft“ (1999). Nach dem Studium kehrte er in seine Heimatstadt zurück und unterrichtete an seiner alten High School. Nach vier Jahren hatte er genug vom Schulbetrieb. Die Veröffentlichung der Erzählung „The OD and Hepatitis Railroad or Bust“ in der „North American Revue“ brachte ihm 1972 die Aufnahme in einen Schreibworkshop der University of Iowa (wo auch John Irving lehrte, der zu seinem Mentor wurde). Dort erwarb er 1977 einen Doktortitel (Ph.D.) in englischer Literatur des 19. Jahrhunderts. Anschließend lehrte Boyle dann neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit Englisch an der University of Southern California, seit 1986 als ordentlicher Professor. Und vor allem lernte er seine Frau Karen Kvashay kennen, mit der er seit 1974 verheiratet ist und drei Kinder hat (eine Tochter, Kerrie, und zwei Söhne, Milo und Spencer).

Seine Erzählungen und Kurzgeschichten erschienen nun regelmäßig in wichtigen amerikanischen Zeitschriften und 1979 bringt T.C. Boyle seinen ersten Erzählband heraus: "The Decent Man" (dt. „Tod durch Ertrinken“). Schon in diesen seinen ersten veröffentlichten Erzählungen aus der Mitte der siebziger Jahre hat er seinen typischen Erzählduktus und seine Mittel des Beschreibens gefunden. Sie sind vollkommen modern – das Leitthema der Kurzgeschichten ist in unserer Zeit der wachsenden Möglichkeit zur manipulativen Evolutionsbeeinflussung nach wie vor tagesaktuell: Die tiefe Skepsis gegenüber den Errungenschaften der Zivilisation und damit auch dem bisherigen Verlauf der Geschichte. Diese Skepsis durchzieht all seine Erzählungen ebenso wie seine großen Romane.

Von nun an wird er, beinahe im regelmäßigen Rhythmus, immer wieder zwischen seinen Romanen Erzählungen und Kurzprosa veröffentlichen. Sie sind eine große Kunstform, wie bei den großen Meistern und seinen Vorbildern John Cheever und Raymond Carver, die auch im Writer‘s Workshop lehrten.

Wassermusik

Als Boyles erster Roman „Water Music“ („Wassermusik“) 1982 erschien und noch niemand den merkwürdigen Namen Coraghessan aussprechen konnte, war sofort klar, dass dieser Roman das Zeug zum Kultbuch hatte. Boyle erzählt darin von zwei Expeditionen ins Innere Afrikas. Der schottische Forscher Mungo Park erkundete im 18. Jahrhundert als erster Weißer den Verlauf des Niger. Zur Seite stellt er ihm die frei erfundene Figur des Ned Rise, einen englischen Grabräuber, der mit dem Entdecker im tiefsten Afrika die wildesten Abenteuer besteht.

Die zunächst parallel nebeneinander laufenden Handlungsfäden – von Abenteurern, Huren, Betrügern und halbseidenen Gestalten in den Halbwelten von Schottland, London und Afrika – bewegen sich schließlich auf dem Niger der Quelle des Stroms entgegen. Es ist eine Geschichte von Wahnsinn, Ehrgeiz und Gier, aber auch voller Witz, faktenreich und mit Cliffhängern, deren Ausgang wirklich so unklar ist wie der Verlauf des Stroms.

Als es ihm nach vielen Mühen gelungen war, den Niger zu entdecken, kehrt er nach England zurück und hält den normalen Alltag nicht lange aus und sehnt sich nach neuen Abenteuern. Er will nach Afrika zurückkehren und sich nun an die weitere Erkundung des Nigers machen, speziell von dessen Mündung in den Golf von Guinea. Davon können ihn weder seine Frau Ailie, die während der ersten Reise jahrelang auf ihn gewartet hatte, noch seine Kinder abhalten. Und so bricht er erneut auf. Unter Mungos Begleitern befindet sich auch der Afrikaner Johnson. Er ist Mungos Dolmetscher und wurde als Junge von Sklavenhändlern nach Amerika verkauft, von wo ihn ein ihm wohlgesinnter englischer Adliger nach London mitnimmt. Dort entwickelt sich der inzwischen relativ gebildete Johnson zu einer Art Dandy. Doch nach einem für ihn erfolgreich verlaufenen Pistolenduell wird er verhaftet und nach Afrika verbannt.

Parallel zu Parks Geschichte spielt die von Ned Rise, der stets aufs Neue vergeblich versucht, sein Glück zu machen. Sein Unglück beginnt bereits bei seiner Geburt. Er wird seiner Mutter (einer Säuferin) gleich nach der Geburt von einer alten Vettel (die im Verlauf des Romans immer wieder mal auftaucht) abgeluchst. Später kommt er unter die „Obhut“ eines faulen Säufers, der Ned an einer Hand verstümmelt, damit er als Bettler arbeiten kann. Doch Ned hat Glück und wird von einem Lord aufgenommen, der ihn beinahe liebevoll großzieht und ihm einen respektablen Bildungsgrad beschert. Nachdem sein Versorger bei besagtem Duell von Johnson erschossen wird, findet Ned sich wieder ganz unten.

Im Verlauf der Geschichte ist dies nicht das letzte Mal. Gegen Ende der Geschichte, eben auf Mungos zweiter Afrikareise, kreuzen sich schließlich die Wege von Ned Rise, Mungo Park und Johnson. Dabei erkennt Rise in Johnson den Mann, der seinen Ziehvater im Duell tötete, allerdings erst nachdem Johnson die Gruppe schon wieder verlassen hat. Die Expedition endet mit dem Tod aller Beteiligten, mit Ausnahme von Ned Rise, der von Pygmäen aufgenommen wird und nicht mehr nach Europa zurückkehrt. Es ist ein wahrhaft fulminanter Roman, ein großer Wurf und für nicht wenige Boyle-Kenner sein bester Roman.

Grün ist die Hoffnung

In „Budding Prospects“ (1984, „Grün ist die Hoffnung“), seinem zweiten Roman, erzählt er von den diversen Widrigkeiten, denen drei Marihuana-Pflanzer in den Hügeln von Mendocino, nördlich von San Francisco, ausgesetzt sind, und ihren verzweifelten Versuchen, unentdeckt zu bleiben. Der doppeldeutige Original-Titel „Budding Prospects“ bedeutet etwa „Blühende Erwartungen“ oder „Aussichten auf die Blütezeit“. Der 31-jährige Felix Nasmythe, die Hauptfigur, ist ein typischer Vertreter der Hippie-Generation, ein Überbleibsel der drogenseligen, sexbegeisterten Sechziger und Siebziger, ein Schluffi, der von Anfang an illusionslos vor den vergammelten Resten seiner einst jugendlichen Hoffnungen steht: „Ich hab nie was zu Ende gebracht. Ich bin aus der Pfadfindergruppe, dem Chor und der Marschkapelle ausgetreten. Hab aufgehört, Zeitungen auszutragen und in die Kirche oder zum Basketballtraining zu gehen. Ich hab das College abgebrochen, bin mit einem 4-F aufgrund mangelnder mentaler Belastbarkeit dem Militär entgangen, hab das Studium wieder aufgenommen, einen Promotionsstudiengang (Englische Literatur des 19. Jahrhunderts) belegt, in der ersten Reihe gesessen, eifrig mitgeschrieben, mir eine Hornbrille angeschafft und am Vorabend der entscheidenden Prüfung beschlossen, nicht hinzugehen. Ich hab geheiratet, mich bald getrennt und wenig später scheiden lassen. Ich hab das Rauchen, das Joggen und den Verzehr von dunklem Fleisch aufgegeben und jede Menge Jobs hingeschmissen (…) So ziemlich das Einzige, bei dem ich durchgehalten hab, war das Sommerlager. – Und davon will ich Ihnen jetzt erzählen.“

„Sommerlager“ ist das Codewort für das Projekt, bei dem er gemeinsam mit einem Ex-CIA-Agenten und einem Botaniker endlich ans große Geld kommen will – sie versprechen sich von dem landwirtschaftlichen Projekt einen Reingewinn von 1,5 Millionen Dollar. Doch von Anfang an steht das Unternehmen unter einem Unglücksstern. Die Abschottung, neugierige Nachbarn, bösartige Highway-Polizei und allerlei Widrigkeiten der Natur sorgen dafür, dass die drei Freunde immer paranoider, frustrierter und ungeduldiger werden. Immer deutlicher zeichnet sich der Misserfolg des Unternehmens ab. Nach einem Wochenendurlaub daheim lernt Felix allerdings die junge Petra kennen, und verliebt sich in sie. Da Felix allerdings in den Clinch mit der ortsansässigen Polizei gerät, darf er sie nicht besuchen und resigniert. Zur Erntezeit ist nur noch ein Bruchteil der Pflanzen intakt, der Erlös beträgt nur noch 4.800 Dollar pro Kopf. Ungläubig darüber, neun Monate für nicht einmal 5.000 Dollar in Abgeschiedenheit und Einsamkeit gelebt zu haben, erfahren die drei auch noch, dass Vogelsang sie nur benutzt hat, um das Grundstück von ihnen erschließen zu lassen und es anschließend zu verkaufen. Am Ende stellt Felix Vogelsang, der allerdings keine Reue oder Schuldgefühle zeigt. Felix gibt auf, verzichtet auf seinen Anteil und fährt zurück nach Mendocino County, um mit Petra zusammen zu leben.

In diesem großartigen und überaus humorvollen Roman, in dem Boyle eine eigene Welt der Popkultur erstehen lässt, hat er auch viele autobiographische Details eingearbeitet und die Grenzen seiner eigenen Ironie ergründet.

World’s End

Auch der 1987 erschienene Roman „World’s End“ ist für viele seiner Leser eines seiner Hauptwerke. Es ist ein großer historischer Roman über die frühe Kolonialgeschichte Amerikas am Beispiel zweier holländischer Einwandererfamilien im Hudson Valley. Erzählt wird die unterdrückte und verleugnete Geschichte vom Verrat der weißen Kolonialherren an der indianischen Urbevölkerung, die entrechtet, enteignet und um ihr Land betrogen wird.

Zwei fiktive holländische Dynastien, die Van Warts und die Van Brunts, werden mit einem indianischen Erzählstrang verbunden, insgeheim sogar familiär verquickt. Ein abgedrängter indianischer Nebenzweig der Van Brunts lebt fort und rächt sich am Ende, Jahrhunderte später, an den verhassten weißen Landräubern. T. C. Boyle ist ein Meister der Spiegelungstechnik. In raffinierten Parallelisierungen spielt er mit Handlungsmotiven und Verhaltensmustern, dekliniert den Vater-Sohn-Konflikt in Mehrfachvariationen und lässt das Gegensatzpaar Treue und Verrat in immer neuen Brechungen aufblitzen.

Der Samurai von Savannah

In „East Is East“ (1990, „Der Samurai von Savannah“) erzählt Boyle die Geschichte eines Halb-Japaners, der sich auf einem Frachter als Koch verdingt hat. Er springt an der Küste von Georgia über Bord, um seinen US-amerikanischen Vater zu suchen, von dem er nur weiß, dass er in einer Stadt in den USA lebt. Die folgenden Ereignisse werden aus mehreren Perspektiven beleuchtet. Der Protagonist schwimmt auf eine Insel, auf der eine Gruppe von Kunststipendiaten lebt, deren Denken und Alltag sich fundamental von dem des Japaners unterscheiden. Er gerät in einen Strudel tiefer kultureller Missverständnisse mit den Künstlern, aber auch mit anderen Bewohnern der Insel, sowie mit Beamten der Einwanderungsbehörden.

„Boyle packt eine Fülle von Motiven, die für das problematische heutige Amerika stehen, in diese 400-Seiten-Geschichte von der Irrfahrt eines Fremden: die japanische Gefahr, die Zählebigkeit des Mythos vom melting pot, den Rassismus, den Zwang zum Erfolg, die Wonnen des Sichprügelns, die ubiquitäre Gewalt. (...) Unbekümmert um die Botschaft, die schließlich von selbst aus den Zeilen tropft, und ganz konzentriert auf den Effekt, reißt Boyle seine opulente Show herunter, redet, gestikuliert, spottet, brüllt und jault, dass man seufzen muss: glückliches Amerika, wo noch erzählt wird“, schrieb begeistert Barbara Sichtermann in der „Zeit“.

Wellville, America

Im Mittelpunkt von „The Road to Wellville“ (1993, „Willkommen in Wellville“) steht eine kuriose Gruppe von Gesundheitsfanatikern. Dr. John Harvey Kellogg, Erfinder von Cornflakes, Erdnussbutter und 75 weiteren gastrisch einwandfreien Lebensmitteln, ist angetreten, den uralten Traum der Menschheit vom ewigen Leben zu erfüllen. Zu seinem Tempel der Gesundheit wallfahrtet die gesundheitsbewusste Oberschicht Amerikas. Während eine kuriose Gruppe von Gesundheitsaposteln, Körnchenfressern und Sonnenanbetern sich um das Wohl der Patienten bemüht, versuchen Abenteurer und Scharlatane davon zu profitieren.

In dieses von Kellogg gegründeten Sanatorium der Reichen in Battle Creek zu Beginn des 20. Jahrhunderts gerät ein Paar, das sich wegen der aussichtslosen Suche nach wirklich gesunder Ernährung fast verliert. Das Buch wurde 1994 von Alan Parker mit Anthony Hopkins in der Hauptrolle verfilmt.

„The Tortilla Curtain“ (1995, „América“) ist einer der bekanntesten Romane Boyles. 2013 wurde der Roman für die Aktion „Eine Stadt. Ein Buch.“ ausgewählt, bei der die Stadt Wien alljährlich 100.000 Exemplare als Sonderdruck gratis verteilt.

Hauptthema des Romans sind die amerikanischen Werte, die teils begründeten, teils paranoiden Ängste und die Ausländerfeindlichkeit einer gehobenen Mittelschicht gegenüber illegalen Einwanderern sowie Armut und Umweltzerstörung. Boyle schildert das Leben illegaler Einwanderer aus Mexiko in den USA, deren Leben in der Heimat von Armut, Arbeitslosigkeit und Gewalt geprägt ist. Sie hoffen auf den American Dream, wollen nicht nur den eigenen Lebensstandard und Sozialstatus verbessern, sondern unterstützen mit ihrem Lohn auch ihre Familien in Mexiko. Doch ihre Arbeit ist hart und schlecht bezahlt, sie werden wie eine niedrigere menschliche Rasse behandelt (sexuelle Belästigung, Beschimpfungen, Umgang mit gesundheitsschädlichen Stoffen) und leben in ständiger Angst vor den Behörden. Aufgrund ihrer meist dürftigen schulischen Ausbildung können die Hispanics nur im Niedriglohnbereich arbeiten, etwa auf Baustellen oder Plantagen, und werden deshalb auch für das Sinken des Mindestlohns verantwortlich gemacht. Rassistische amerikanische Bevölkerungsgruppen sehen in ihnen die Ursache für Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Schwäche.

Boyle macht daraus eine zum Brüllen tragikomische Geschichte, voller dumpfer Ressentiments und bohrender Engstirnigkeit. Zwei Welten, die sich fremder nicht sein könnten: hier América und Cándido, illegale Einwanderer aus Mexiko, dort das Ehepaar Mossbacher – liberale, umwelt- und ernährungsbewußte Angloamerikaner in Los Angeles ... Der Zusammenstoß Cándidos mit Delaney Mossbachers wachsgepflegtem Auto ist ein wortwörtlicher: Cándido, auf dem Weg zur Arbeit, rennt Delaney direkt vor die Haube und wird schwer verletzt. Da die Schuldfrage sich nicht klären lässt und der Mexikaner offenbar kein Englisch kann, drückt Delaney ihm eine 20-Dollar-Note in die Hand. Zunehmend sieht Delaney seine geschützte Welt bedroht: Kojoten dringen in das Grundstück ein und töten die kleinen Hunde, dunkelhäutige, verdächtige Gestalten lungern herum, wo er seine Wanderungen macht. Jenseits der eleganten Villensiedlung, tief unten im Topanga Canyon, hausen Cándido und América wie die Tiere. Sie versuchen ihr Glück auf dem illegalen Sklavenmarkt – verfolgt von der Immigrantenpolizei, vom Hunger, von der Verachtung der Weißen, von der Bösartigkeit der eigenen Landsleute. Der Roman wurde zu Recht mit John Steinbecks "Die Früchte des Zorns" verglichen.

Ein Freund der Erde

Im Jahr 2000 brachte Boyle seinen bislang einzigen Science-Fiction-Roman heraus. „A Friend of the Earth“ („Ein Freund der Erde“) spielt im Jahr 2025. Der Treibhauseffekt hat voll zugeschlagen, in etlichen früheren Weingebieten wird inzwischen Reis angebaut. Die meisten Säugetiere sind ausgestorben, und das Essen ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Ty Tierwater, militanter Ökoaktivist in den 80er Jahren, kümmert sich als rüstiger und nur sexuell leicht frustrierter 75-Jähriger im Auftrag eines schwerreichen Popstars um ein paar verwahrloste Tiere, die zu den letzten ihrer Spezies gehören. Da taucht eines Tages seine Ex-Frau Andrea mit einem ganz besonderen Anliegen wieder bei ihm auf. Boyle beschreibt in seinem neuen Roman eine Zukunft, die schon begonnen hat. Mit Sarkasmus und seinem unverwechselbaren Witz schildert er eine verwüstete, zerstörte Welt, jenseits von Optimismus und Pessimismus einfach mit unlösbaren Problemen. Diese unlösbaren Probleme sind vor allem Umweltverschmutzung und die herannahende Klimakatastrophe, gegen die der Protagonist in zunehmend militanter Art anzukämpfen versucht und dabei mit den Realitäten in Konflikt gerät.

Das Buch bewegt sich in zwei Zeitebenen: die Jahre um 1989 und um 2025/26, und Boyle spricht darin in Wirklichkeit nicht etwa von einer fernen Zukunft, sondern die Zeit um 2025 als "endlose Ausdehnung unserer Gegenwart". T. C. Boyle erzählt von Umweltkatastrophen und Ökoterrorismus in Kalifornien. Am Beispiel der radikalen Baumschützer-Organisation Earth Forever interessiert er sich für die Widersprüchlichkeiten eines zu Ende gedachten Naturschutzes. So kann man sich bei Tyrone Tierwater, der Hauptfigur, nie recht sicher sein, ob er tatsächlich aus Naturliebe handelt oder nicht vielmehr aus Menschenfeindschaft („denn um ein Freund der Erde zu sein, muss man zum Feind der Menschen werden“, heißt es an einer Stelle); er ist als aufbrausend und jähzornig gezeichnet. So bilden die sozusagen geschäftstüchtigen Seiten des Weltrettertums, als da wären geschicktes PR-Taktieren und innovatives Geldeintreiben, einen wichtigen Hintergrund.

Drop City

„Drop City“ (2003) besteht aus zwei sich aufeinander zubewegenden Handlungssträngen, die sich nach ungefähr der Hälfte des Buches vereinen. Der Hauptstrang erzählt die Geschichte der namensgebenden Kommune Drop City in Kalifornien, die etwa 60 Mitglieder umfasst. Jeder Aussteiger ist willkommen, das Leben geprägt von Drogen, Sex und dem Versuch, im Einklang mit der Natur zu leben. Jeder Tag ist eine einzige Party, alles wird miteinander geteilt. Die Männer werden als Freaks und die Frauen als Bräute bezeichnet. Die Gemeinschaft leidet jedoch unter Spannungen aufgrund der ungleichen Verteilung der anfallenden Arbeiten, was zu Hygiene- und Versorgungsproblemen führt. Auch ist die Gruppe untereinander gespalten und nicht alle teilen die friedliebenden Ansätze. Als eines Tages die Zwangsräumung kurz bevorsteht, entschließt sich die Gemeinschaft, nach Alaska zu ziehen, wo ihr Guru Norm Sender ein Grundstück geerbt hat. Parallel dazu wird die Geschichte des in Alaska sesshaften Trappers Sess Harder erzählt, der seine Traumfrau findet und sie heiratet. In Alaska treffen nun diese zwei unterschiedlichen Gesellschaften aufeinander, es entstehen Konflikte, aber auch Freundschaften.

„Drop City“ ist natürlich auch ein Roman eines enttäuschten Hippies. Doch nicht nur: „Es fehlt ihm dazu vor allem an Naivität, an festen Glauben an die utopische Glückseligkeit und schließlich an Humor. Die Ernsthaftigkeit aber, mit der Boyle diese Gegenkultur schildert, die er in- und auswendig kennt, rettet das Niveau. Nicht Pop, sondern Kunst, schneidend scharf, aber voll feinem Hintersinn, der sich auftut, wenn man die oberflächliche Spannung erstmal überwunden hat“, so Ulrich Sonnenschein.

Dr. Sex

Ein weiterer realer US-Mythos steht im Mittelpunkt von Boyles nächstem Roman: Dr. Kinsey, Verfasser der berühmt-berüchtigten Kinsey-Reports über das sexuelle Verhalten von Mann und Frau, ist der Protagonist von „The Inner Circle“ (2004, dt. "Dr. Sex"). Es ist das Porträt des Mannes, der im prüden Amerika des Jahres 1939 die sexuelle Revolution auslöste. An der Universität Indiana beschäftigt sich der Zoologe Alfred Kinsey mit dem sexuellen Verhalten von Männern und Frauen, rein empirisch natürlich. John Milk, Student und ehrgeiziger Provinzler, gerät in seinen Bann und in seinen engsten Forscherkreis.

Niemand, außer Kinsey, glaubt so sehr an „die Sache” wie John Milk. Niemand folgt ihm so bedingungslos nach, ist, wenn es sein muss, rund um die Uhr zur Stelle, schläft mal mit ihm, mal mit der Professorengattin Mac und vergisst irgendwann sogar, bei den Tausenden von Interviews, die sie führen, und in denen Amerikaner aller Schichten über ihre sexuellen Gewohnheiten und Erfahrungen befragt werden, zu erröten. John Milks Geschichte ist die Geschichte eines Meisterschülers, und sie wäre die einer steilen Karriere, wäre da nicht Iris, Milks junge Frau, die gegen den Guru und dessen das Privatleben der Mitarbeiter völlig vereinnahmende Doktrin aufbegehrt. Dass ihr Ehemann mit Kinsey hunderte Männer einlädt, einer nach dem anderen vor der Filmkamera und auf ausgerolltem, den Teppich schützenden Papier zu onanieren, um herauszufinden, ob während der Ejakulation die Samenflüssigkeit unter Druck „herausgespritzt” werde oder ob sie „tröpfelnd” herausquillt – das ist sein Job, damit kann sie leben. Dass aber auch sie sich, wie die anderen, an den Mitarbeiter-Experimenten beteiligen und am Ende von Prok höchstpersönlich beschlafen lassen soll („Wir sind bloß menschliche Säugetiere!”), das geht ihr zu weit. T. C. Boyle erzählt die Geschichte eines genialen, fanatischen Helden und porträtiert dabei die prüde und heuchlerische Gesellschaft des Amerikas der vierziger und fünfziger Jahre.

Talk Talk

Im Thriller „Talk Talk“ (2006) wird der Mythos des "Amphitryon" zur Realität. Es sind nicht mehr Götter, die den Menschen Namen und Identität stehlen, um ihre Frauen zu verführen und Schabernack zu treiben. Hier ist es ein raffinierter Gauner, der sich auf die in Amerika boomende Sparte des "Identity Crime" spezialisiert hat: Man stochert bevorzugt hinter Arztpraxen etwas im Müll, sucht nach Namen, Geburtsdaten, Sozialversicherungsnummern, Adressen, meldet den Führerschein als verloren und beantragt dann ein paar Kreditkarten. Solange die Rechnungen bezahlt werden, fällt dem Bestohlenen nicht einmal auf, daß er sich verdoppelt hat oder ein anderer seine Titel führt.

Der Roman erzählt alternierend und mit eskalierender Dramatik von Danas und Bridgers zunächst aussichtslos wirkender Jagd auf den Berufsganoven Peck und aus William Wilsons nur teilweise durchdachten Bemühungen, den Nachstellungen durch die Flucht an die Ostküste und eine erneute Neujustierung seines Identitäts-Portfolios zu entkommen. Mitunter verzweifelt auch Pecks russische Lebensgefährtin an der Vielzahl der Namen, Berufe und familiären Hintergründe, mit denen er seine Existenz je nach Bedarf und Gefahrenlage ausstaffiert. In diesem hochdramatischen Thriller erzählt T. C. Boyle davon, wie leicht es ist, einem Menschen die Identität zu rauben, und wie schwierig für den Betrogenen, zu beweisen, dass er hereingelegt worden ist. „Wer diesen Roman gelesen hat, dem vergeht vermutlich die Lust am Online-Shopping“, meinte ein Kritiker.

Nach Kellog und Kinsey steht in „The Women“ (2009, „Die Frauen“) wieder eine mythologische amerikanische Persönlichkeit im Mittelpunkt: Frank Lloyd Wright. Der berühmte Architekt, dem sich Boyle aus den Blickwinkeln von dessen Frauen und Geliebten annähert, erscheint für sie nicht nur als "faszinierender Egomane", der eigene Wege geht, sondern auch als "moderner Freigeist", der seiner Zeit weit voraus war.

Wenn das Schlachten vorbei ist

Nur am Rande geht es in Boyels nächstem Roman „When the Killing's Done“ (2011, „Wenn das Schlachten vorbei ist“) um das vermeintliche Drama von Gesellschaft. Liebe und Emanzipation. Im Wesentlichen behandelt er hier die Zerstörung der Schöpfung durch den Menschen. Es beginnt mit einem Schiffbruch, grandios inszeniert, und es endet mit einem, der ist literarisch nicht minder intelligent. Dazwischen über 400 Seiten pralles Erzählen. Fast wähnt man sich zurück im 19. Jahrhundert, der hohen Zeit erhabener Romane. Aber es ist nicht die große weite Welt, die die Schiffe in Boyles Roman befahren, es ist immer dieselbe schmale Fahrrinne, die eine kleine unbewohnte Inselkette vor Kaliforniens Küste von Boyles Wohnort Santa Barbara trennt. Zwei Fraktionen von Umweltschützern liefern sich einen erbitterten Kampf. Auf den Channel Islands vor der Südküste von Kalifornien ist die Umwelt vom Menschen empfindlich gestört worden. Soll man das Gleichgewicht des Ökosystems mit viel Steuergeldern wiederherstellen (was zwangsläufig die Ausrottung mancher Tierarten bedeutet), oder soll man um jeden Preis das Töten verhindern? T. C. Boyles furioser, apokalyptischer Roman handelt von der Ausbeutung der Natur durch den Menschen und den katastrophalen Folgen.

San Miguel, Hart auf Hart

In „San Miguel“ (2012), seinem 14. Roman, literarisiert er, wie schon oft, das Leben realer Personen. Die Geschichte dreier Frauen, die auf der unwirtlichen Insel San Miguel vor Kalifornien das Paradies suchen, stützt sich auf Tagebuchaufzeichnungen und eine Autobiografie. Auf diese einsame Insel, die für die einen die Hölle ist, für die anderen das Paradies verschlägt es 1888 die schwindsüchtige Marantha. Während sie sich, geplagt vom rauen Klima, von Monotonie und Einsamkeit, dem Leben entzieht, schafft es Adoptivtochter Edith, dem tyrannischen Vater und der verhassten Insel zu entfliehen. Jahrzehnte später zieht Elise Lester dorthin und findet mit ihrer Familie ihr Glück. Der Roman bietet ein Inbild vom Mythos der Pioniere mitten in der Weltwirtschaftskrise, doch die Idylle trügt. Boyle gelingt es meisterhaft, in dieser großen Saga das Schicksal dreier starker Frauen lebendig werden zu lassen.

„The Harder They Come“ (2015, „Hart auf Hart“) erzählt die spannende und unterhaltsame Geschichte um den pensionierten Geschichtslehrer und Vietnamveteranen Sten, seinen 25-jährigen Sohn Adam und dessen 40-jährige Geliebte Sara. In dem in einer Waldhütte lebenden, verstörten Außenseiter Adam entdeckt man die Verkörperung des amerikanischen Mythos' von Freiheit und Abenteuer. Als Leser erlebt man unmittelbar mit, wie der ungezähmte junge Mann, der sich Halluzinationen von Aliens hingibt, bald zu morden beginnt und immer mehr verwildert und zwischenzeitlich begleitet von der Sektenanhängerin und Öko-Kriegerin Sara auf wilden Verfolgungsjagden umherirrt. Paranoia und Staatsverdrossenheit bringen die Hauptfigur des Romans dazu, sich in ihrem Haus einzumauern wie in einer Festung. Wie so oft schildert Boyle die großen Reizthemen der USA aus der Sicht des Außenseiters und zeigt in diesem grandiosen Roman hart und unbarmherzig die durchgedrehte Seite des amerikanischen Traums.

Die Terranauten, Das Licht

„The Terranauts“ (2016, „Die Terranauten) aus dem gleichnamigen Roman leben in einem geschlossenen Ökosystem, als Wissenschaftler in den neunziger Jahren in den USA den Versuch unternehmen, das Leben nachzubilden. Zwei Jahre lang darf keiner der acht Bewohner die Glaskuppel von „Ecosphere 2“ verlassen. Boyle griff dabei wieder auf Fakten zurück, verfasste allerdings keinen Tatsachenbericht, sondern nutzte den Stoff unter Anwendung schriftstellerischer Freiheiten für eine überaus amüsante Studie menschlichen Verhaltens. Die Geschichte wird von zwei Frauen (eine in der Kuppel, die andere wurde bei der Auswahl vorerst übergangen und gehört zum Außenteam) und einem Mann geschildert. Alle drei schreiben ihre Erlebnisse und Handlungen sowie ihre Motive dafür nieder. Schnell wird klar, dass sich die Erzähler in erster Linie rechtfertigen wollen.

"Es ist witzig. Und very sexy", hatte Boyle 2015 in einem Interview über "Die Terranauten" gemeint. Und ja, Sex spielt eine beachtliche Rolle, wenn acht Menschen auf engstem Raum eine Art Leben im Paradies, hier "Ecosphere 2 genannt, proben. In dem Buch hat das Folgen, die die Mission gefährden oder aber retten könnten und die Rivalität und Missgunst unter den Terranauten weiter befeuern. Zusätzlich schildert Boyle eine Art frühe Realityshow, inszeniert vom Sponsor des Projektes: Wie die Affen unter der Glaskuppel werden auch die Menschen begafft und beobachtet – allerdings folgen sie nicht ihrem Instinkt, sondern ihrem Geltungsdrang.

„Outside Looking In“ (2019, „Das Licht“) erzählt von den entscheidenden Jahren eines pharmazeutisch-psychedelischen Experiments, als Timothy Leary im mexikanischen Zihuatanejo und in Millbrook, US-Bundesstaat New York, einige Getreue um sich scharte, um mithilfe von LSD, Meskalin und Psilocybin in das Angesicht Gottes zu blicken. Als sie, Toxin in der Blutbahn und einen neuronalen Funkensturm im Kopf, mit geweiteten Pupillen an die Zimmerdecke starrten und "Das Licht! Das Licht" stammelten oder stundenlang den Putz beäugten, um dem Weiß an der Wand letzte Geheimnisse zu entlocken. Learys Geschichte stellt Boyle in "Das Licht" einen Prolog voran. Basel, 1943. Während in Europa Faschismus und Krieg wüten, entdeckt der Schweizer Chemiker Albert Hofmann als Nebenprodukt seiner Arzneimittelforschung ein Mittel mit psychoaktiven Eigenschaften: Wer LSD schluckt, notiert Hofmann, sehe wirbelnde Farben und Muster, erlebe außerkörperliche Zustände, verspüre drängendes Verlangen nach Sex. Bald geraten der Student Fitz und seine Ehefrau Joan, anfänglich konservative Hinterwäldler und Boyles fiktive Protagonisten inmitten eines historisch verbürgten Personals, in Learys Bannkreis. "Sakrament" oder "Agape" wird die tägliche Drogendosis getauft, und Fitz glaubt, den "Herzschlag der Erde" zu vernehmen.

Ein Drogenpapst, seine verschworene Anhängerschaft und Experimente mit psychedelischen Substanzen: T. C. Boyle findet mit Timothy Learys Drogenkreis einen Romanstoff, der wie für ihn geschaffen ist.

Sprich mit mir

Der bislang letzte Roman „Talk to Me“ (2021, „Sprich mit mir“ ist zuerst auf Deutsch und erst einige Zeit danach im Original erschienen – das zeigt schon deutlich, wie erfolgreich er vor allem im deutschen Sprachraum ist. Mit dem Roman kehrt er auch zu einem Thema zurück, das er in seinem allerersten Erzählband schon in satirischer Form bearbeitet hat: In der Story „Tod durch Ertrinken“ (1979) geht es um einen Schimpansen, der Darwin und Nietzsche in seine eigene Kunstsprache übersetzt und mit einer Frau namens Jane Good anbandelt. Schon damals klang an, dass Boyle von der Verhaltensforscherin Jane Goodall fasziniert ist. Der Roman spielt Anfang der 1980er Jahre und erzählt von Primatenforschern und einem Schimpansen, der mit Menschen kommuniziert. Es geht um die Frage: Wer ist menschlicher? Der Mensch oder der Affe?

Der Roman ist sorgfältig durchkonstruiert. Dahinter steht ein allwissender Autor, der aber die Erzählperspektive immer wieder raffiniert in seine Personen verlegt, allen voran in Sam, den Affen: Wo Sam gebärdet – oder wenn sich in seinem Gehirn die Worte formen, für die er Gebärden kennt –, ist das im Druckbild in Großbuchstaben wiedergegeben. Von enormer Eindringlichkeit ist dieser Kunstgriff, wenn Sam etwa brutal aus seinem bisherigen Umfeld gerissen wird, eingesperrt in einen kahlen, stinkenden Käfig, um ihn herum in ihren Käfigen andere Schimpansen. SCHLÜSSEL SCHLOSS RAUS gebärdet er verzweifelt.

Die leidenden schreienden Artgenossen kann er nicht als solche identifizieren, seine Selbstwahrnehmung ist die einer menschlichen Gestalt. Boyles Roman beschreibt eine unerhörte Anmaßung, es ist die des Menschen, ein ihm genetisch so nahestehendes Geschöpf nach seinen Maßstäben formen zu wollen. Das gilt so, trotz allem Willen zum Wissen und trotz aller tiefen Zuneigung. Das reicht weiter als der Ehrgeiz des jungen Forschers Schermerhorn und als ein bloßes tragisches Missverständnis. Aimée begreift es schließlich, blickt ihrer Verantwortung und Schuld in die Augen; deshalb ist sie es, die am Ende ihrer weiten Reise mit Sam die einzig mögliche Konsequenz zieht. "Sprich mit mir" ist ein immens ergreifender Roman. ICH BIN SAM lautet das Vermächtnis der zugerichteten Kreatur.

Foto: (c) Anne Morgenstern