Tey, Josephine - Alibi für einen König
Veröffentlicht am 28.08.2023
Ein hochgelobter Krimiklassiker für Anglophile und/oder geschichtsbegeisterte Leser:innen.
Ein vom Feuilleton derzeit wieder hochgelobter Krimiklassiker der englischen Autorin Josephine Tey aus dem Jahr 1951(!) in neuer deutscher Bearbeitung hatte mein grundsätzliches Interesse geweckt.
Zur Handlung: Inspector Grant, dessen Berufserfahrung ihm bei der Betrachtung eines Porträts des in der englischen Geschichte als berühmtester Verbrecher gebrandmarkten Richard III. sagt, dass dieses Gesicht nicht die Züge eines kaltblütigen Doppelmörders trägt, beginnt diesen vierhundert Jahre zurückliegenden Mordfall an seinen beiden Neffen vom Krankenbett aus neu zu recherchieren. Dabei wird er von einem jungen Amerikaner tatkräftig unterstützt, der der Liebe wegen nach London gekommen war und nun im British Museum alibihalber vor sich hin werkt. Gemeinsam entlarven sie so manchen großen Namen der englischen Geschichtsschreibung als ungenaue bis gar unseriöse Quelle, und sie widerlegen auch Shakespeares Überzeugung, dass Richard III. ein ganz übler Bursche war.
Was ich zu Lesebeginn allerdings noch nicht wusste, war, dass diese Geschichte über den sich langweilenden Inspector Alan Grant von Scotland Yard, der mit einem gebrochenen Bein im Krankenhaus liegt und sich mit dem Lösen eines Rätsels der englischen Kriminalgeschichte die Zeit zu vertreiben sucht, zwei Anforderungen an jede Leserin/jeden Leser stellt: Erstens, ein überdurchschnittliches Interesse an der englischen Herrschergeschichte des 15. Jahrhunderts und zweitens die Fähigkeit, viele handlungsrelevante Personen gut sortiert auseinanderhalten zu können. Ich persönlich erfülle leider beide nicht.
Dennoch hat sich auch bei mir ein gewisses Lesevergnügen eingestellt, da man en passant viel Grundsätzliches über die Qualität (englischer?) Geschichtsschreibung erfährt, eine angenehm unprätentiöse Sprache wohl aufgrund der neu bearbeiteten Übersetzung das Lesen dieses Klassikers leicht macht und mir eine Nachhilfestunde in englischer Geschichte auch nicht geschadet hat. Anglophile und/oder geschichtsbegeisterte Leser:innen ihrer Bibliothek können sich sicher noch deutlich mehr als ich für dieses Buch erwärmen, das von der englischen Autorenvereinigung Crime Writers‘ Association in den 1990er Jahren zum besten Kriminalroman aller Zeiten gewählt wurde.
Gerald Wödl
Tey, Josephine - Alibi für einen König
Zürich Oktopus bei Kampa 2022. 253 S. - kt. : € 18,95 (DR) ISBN 978-3-311-30050-2
