Wimmler, Karl - Kein Spiel

Wimmler, Karl - Kein Spiel

Veröffentlicht am 02.04.2023

Als österreichischer Linker in den 1970er Jahren

Schon mit dem Buchtitel weckt der Autor, ein Ex-Maoist, hohe Erwartungen. Doch anstelle dessen wird der/die erstaunte Leser:in von den Details seiner autobiographischen Einleitung überrascht: Demnach verfügten im Geburtsort Liezen/Steiermark seine Eltern über zwei Plumpsklos, die sich unter einem hölzernen Vorbau aus kaum gehobelten Holz gefertigt gegenüber dem Hauseingang befanden. Beide Aborte waren zugig und im Winter eiskalt, weshalb niemand auf die Idee gekommen wäre, es sich auf diesen Klosetts gemütlich zu machen, gar Zeitungen zu lesen. Als Klopapier diente das in DIN-A5-Größe zugeschnittenes Zeitungspapier. Benutzer des Aborts waren nicht nur die Familienangehörigen, sondern auch Besucher/innen. Eine besondere Gaudi war es manchmal für ihre Kinder, andere Kinder einzusperren.

Karl Wimmler (Jahrgang 1953) entzieht sich diesem anal-erotischen Mini Mundus. Er studiert zunächst Germanistik und Geschichte, dann tritt er in Wien nach Ablegung einer Kaderprüfung der eben gegründeten Organisation der Marxistisch-Leninistischer Studenten bei. Diese MLS übernimmt vom Hamburger Kommunistischen Bund die „Betriebsflugblätter“ und vom Kommunistischen Bund Westdeutschland die politische Orientierung. Außerhalb dieses Bündels von Organisationen existieren (neben der Moskau-treuen KPÖ) noch folgende maoistische Gruppen in Österreich: Marxistisch-Leninistische Partei Österreichs (MLPÖ), Vereinigung revolutionärer Arbeiter (VRA).

Wimmler ignoriert sie in seiner Rückschau ebenso wie die „Volksdemokratisierung“ ganz Osteuropas und Chinas (wo Mao Tse-tung sich zum Epigonen Jossif W. Stalins mausert). Selbst die unter rebellischen Student:innen auch heute noch populäre „Kleine rote Bibel“ mit den „Worten des Vorsitzenden“ will er als Referenzwerk für die politische Strömung „Maoismus“ durch Erwähnung nicht anerkennen. Im Gegenteil. Der Autor entwickelt in der Reflexion über seine intellektuelle Biografie ein geistiges Näheverhältnis zu Walter Bendix Schoenflies Benjamin (1892-1940), der wiederum das von Theodor W. Adorno geleiteten Institut für Sozialgeschichte leitete.

Fritz Keller

Wimmler, Karl - Kein Spiel

Als österreichischer Linker in den 1970er Jahren. Wien: Promedia 2022. 176 S. - kt. : 22,00 (GE) ISBN 978-3-85371-509-3