Winter, Leon de - Stadt der Hunde

Winter, Leon de - Stadt der Hunde

Veröffentlicht am 08.07.2025

Die Suche eines Mannes nach dem für ihn richtigen Leben. 

Lange haben Fans des niederländischen Schriftstellers und Bestsellerautors Leon de Winter auf einen neuen Roman warten müssen, jetzt liegt nach dem 2016 erschienenen „Geronimo“ auf Deutsch sein jüngstes Buch „Stadt der Hunde“ vor und wird seine Leserinnen und Leser sicherlich wieder begeistern.

Wie fast immer in Winters Romanen ist der Protagonist männlich und ungefähr im gleichen Alter wie sein Autor. Der weltweit renommierte Neurochirurg Jaap Hollander, Sohn aus einfachem jüdischen Hause, hat es weit gebracht. Er hat sich ganz seiner Arbeit verschrieben, ist Naturwissenschaftler durch und durch und hat laut seiner Frau Nicole keinen Zugang zu seinen Gefühlen. Obwohl er in seiner Kindheit im jüdischen Glauben erzogen wurde, entfernt er sich nach dem frühen Tod seines Vaters ganz von der Religion und ist überrascht, als seine 13-jährige Tochter Lea beginnt, sich mit ihren jüdischen Wurzeln auseinanderzusetzen. Nach ihrem Schulabschluss reist sie nach Israel und verschwindet dort gemeinsam mit einem jungen Amerikaner spurlos im Ramon-Krater in der Wüste Negev.

Jedes Jahr reist Jaap Hollander nun nach Israel, um mehr über das Verschwinden seiner Tochter herauszufinden, mit ihrem wahrscheinlichen Tod kann er sich nicht abfinden. Neun Jahre nach dem furchtbaren Ereignis ist der nun geschiedene Neurochirurg pensioniert, er darf nicht mehr operieren. Da tritt der israelische Ministerpräsident mit einer ungewöhnlichen Bitte an ihn heran, die höchste Geheimhaltung verlangt. Er soll die Tochter des saudischen Prinzen operieren, deren missgebildete Blutgefäße im Gehirn so tief liegen, dass kein Neurochirurg der Welt sich an die Operation wagt. Die junge Frau soll eines Tages die erste Königin von Saudi-Arabien werden und mit ihren Reformen den Frieden im Nahen Osten ermöglichen.

Was den pensionierten Chirurgen dazu veranlasst, gegen alle Hoffnungen in die Operation einzuwilligen, bleibt vorerst unklar. Sieht er in der Tochter des Herrschers sein eigenes, für ihn verlorenes Kind? Will er eine Schuld begleichen, weil er Lea nie spüren hat lassen, wie sehr er sie geliebt hat? Oder sind es rational begründbare elektrochemische Prozesse in seinem eigenen Gehirn, die von einem Tumor ausgelöst werden, von dem er selbst zum Zeitpunkt der Operation noch nichts weiß? Immer weiter entfernen sich seine Wahrnehmungen von der Realität, er hört Simmen, beginnt mit einem Hund zu sprechen, der ihm als Führer zu seiner Tochter dienen will, und begibt sich auf eine fast märchenhafte Reise zurück zu prägenden und schmerzvollen Ereignissen in seinem Leben, in der auch seine Eltern wieder auftauchen. Wie sich herausstellt, passiert das alles in seinen traumhaften Vorstellungen, während er nach der Entfernung seines Gehirntumors im Tiefschlaf liegt. Nach dieser Reise ist Jaap Hollander ein anderer Mensch. Er kann Leas Tod nun endlich akzeptieren und bei ihrem Gedenkstein am Rande der Negev-Wüste das Kaddisch, das Totengebet für die Verstorbenen, sprechen.

Auch in „Stadt der Hunde“, damit ist Tel Aviv gemeint, beleuchtet Leon de Winter Themen, die schon in seinen früheren Büchern eine wichtige Rolle gespielt haben: seine jüdische Herkunft, die wichtige Balance zwischen Ratio und Emotionen und die Suche eines Mannes nach dem für ihn richtigen Leben. Jede Bibliothek sollte seinen Leserinnen und Lesern diesen wichtigen Roman anbieten.
Ida Dehmer

Winter, Leon de - Stadt der Hunde
Roman. Zürich: Diogenes 2025. 264 S. - fest geb. : € 27,95 (DR) ISBN 978-3-257-07281-5 Aus dem Niederl. von Stefanie Schäfer

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