Stadtbücherei Jennersdorf - „Wir sind sehr kreativ“
Veröffentlicht am 17.10.2022
Von Silke Rabus
Die Stadtbücherei Jennersdorf punktet mit einem vielfältigen Medienangebot, spannenden Veranstaltungen und einem engagierten Team. Nun gab es einen personellen Wechsel: Mit 1. Oktober hat Helene Petz die Leitung der Bücherei an ihre Nachfolgerin Michaela Bacher übergeben.
Gut 45 Jahre ist es her, dass die burgenländische Gemeinde Jennersdorf eine Bibliothek bekam. 1977 vom damaligen Amtsleiter Bernhard Wesch gegründet, war die Stadtbücherei zunächst im Rathaus untergebracht. 1997 übersiedelte sie in eine als Bibliothek umfunktionierte Bushaltestelle, 2004, nun schon unter der damaligen Leiterin Petra Schmögner, in eine freigewordene Wohnung oberhalb des Gemeindeamtes. Erst 2018 fand die Stadtbücherei Jennersdorf ihre jetzige Heimat gleich neben Volksschule, Nachmittagsbetreuung und Kindergarten. Mittlerweile ist sie ein Wohlfühlort, der aus der Gemeinde nicht mehr wegzudenken ist.
Vom Burgenlandkrimi bis zum Hörbuch
„Wir sind Meister darin, uns auf kleinem Raum gut aufzustellen“, erzählt die scheidende Büchereileiterin Helene Petz und zeigt stolz die 110 m2 großen Räumlichkeiten. Im Eingangsbereich befinden sich die Garderobe und ausgewählte Zeitungen. Von dort führt ein langer Gang in die Bücherei, in dem neu eingelangte Bücher ebenso präsentiert werden wie ausgewählte Sachliteratur und Hörbücher. Anlässlich hundert Jahre Burgenland im Jahr 2021 wurde zudem ein eigenes Regal aufgestellt, in dem sich – in Landesfarben markiert – Krimis, Sachbücher oder Reiseberichte von burgenländischen Autor:innen genauso finden wie Literatur über das Burgenland. In der nebenliegenden Küche wiederum werden Bücher foliert, aber auch kleine Workshops oder Literaturcafés abgehalten.
In einem Raum am Ende des Gangs ist der Empfang angesiedelt, außerdem steht in den großen Regalen die Belletristik. Hier kann man beispielsweise historische Romane, Biografien, englische Literatur für Erwachsene oder Krimis entdecken. Insgesamt bietet die Stadtbücherei Jennersdorf seinen 757 Nutzer:innen 7.500 Medien, davon rund 2.900 belletristische Werke und 730 Sachbücher für Erwachsene sowie verschiedene Zeitungen, Zeitschriften und Hörbücher. E-Books gibt es allerdings nicht. „Das wäre derzeit für die Gemeinde nicht machbar“, erzählt Helene Petz, die zugleich Regionalbetreuerin für die Bezirke Jennersdorf und Güssing ist: „Aber wer weiß schon, was passiert? Vielleicht wird es ja irgendwann ein E-Book-Angebot für das ganze Burgenland geben.“
Vom Bilderbuchzug bis zum Tonie-Regal
„Unser Schwerpunkt liegt ganz klar auf Kindern und Jugendlichen, zwei Drittel der Entlehnungen gehen auf diese“, ergänzt die neue Leiterin Michaela Bacher: „Die Kinderbücherei ist daher auch der schönste und hellste Raum.“ Knapp 3.000 belletristische Kinderbücher können in der Stadtbücherei entlehnt werden, dazu kommen rund 300 Sachbücher für Kinder und Jugendliche sowie viele Filme. Auch zweisprachige Kinderbücher werden angeboten: „Diese haben wir über das Büchereiservice angekauft und sie werden gut angenommen“, so Helene Petz: „Wir als Stadtbücherei mit einem großen Einzugsgebiet müssen schon schauen, dass wir mit unserem Budget auskommen. Daher sind wir für die Förderungen des ÖGB sehr dankbar.“
Generell sind dem Büchereiteam die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen viel wert: „Der Jugendbereich ist durch Regale abgeschottet, auch ein Sofa steht hier, damit sich die Jugendlichen wohlfühlen“, erzählt die ehemalige Büchereileiterin weiter. Für die jüngeren Kinder gibt es hingegen einen Bilderbuchzug und Bilderbuchtröge, Neuzugänge stehen in einem auffälligen, orangefarbenen Aufsteller. In einem eigenen Regal sind zudem die Tonies ausgestellt, demnächst soll eine Wandmalerei diesen Bereich noch lebendiger gestalten. Auch einen Schrank mit Erstlesebüchern möchte die neue Leiterin Michaela Bacher bald aufstellen und so weitere Akzente setzen.
Vom Bibliotheksführerschein bis zum Buch-Casting
Bei den Veranstaltungen liegt der Fokus des 11-köpfigen ehrenamtliche Teams – nur die Büchereileiterin ist angestellt – ebenfalls auf Kindern und Jugendlichen. „Seit vielen Jahren ist die Stadtbücherei Jennersdorf für das Ferienprogramm der Gemeinde zuständig“, erzählt Michaela Bacher und verweist auf Märchenwanderungen und Zeitreisen, für die das Büchereiteam Papphäuser baut, Figuren nachspielt, Hexentänze einstudiert oder alte Werkzeuge zum Ausprobieren präsentiert.
Für die Schulen oder Kindergärten in den Ortsteilen Grieselstein, Henndorf, Jennersdorf und Rax haben sich die Bibliothekar:innen ebenfalls ein besonderes Programm ausgedacht. Zum einen nutzen die Bildungsstätten die eigens zusammengestellten Bücherkisten, zum anderen finden in den Schulen Lesungen oder Buch-Castings statt: „Bei einem Buch-Casting können wir gleich mehrere Bücher vorstellen und das auf eine lustvolle Weise, die den Jugendlichen viel Spaß macht“, sagt Helene Petz. Diese Buch-Castings bietet das Büchereiteam zu verschiedenen Genres an, beispielsweise Abenteuer, Fantasy, Historisches, Krimis oder bei den Mädchen die erste Liebe. Und wie bei einer echten Casting-Show fliegt auch hier ein Buch nach dem anderen raus, bis am Ende ein Titel gewonnen hat. „So animieren wir die Jugendlichen dazu, unsere Bücher auszuleihen, und sie lernen außerdem, welche Kriterien bei einer Buchauswahl wichtig sein können“, erklärt Helene Petz.
Vom Filmabend bis zur Lesung im Altenheim
Doch auch für Erwachsene bietet die Stadtbücherei Jennersdorf, deren Träger die Gemeinde ist, spannende Veranstaltungen an. In Kooperation mit der Volkshochschule finden beispielsweise Filmabende oder demnächst auch Erzählcafés statt. Und für Senior:innen gibt es ein ganz besonderes Angebot: Seit kurzem geht Michaela Bacher für Lesungen in Altenheime und sorgt so dafür, dass Menschen mit Demenz wieder stärker am Leben teilnehmen.
„Wir haben in Jennersdorf ein Altenheim mit einer betreuten Wohneinrichtung und eine weitere Zweigstelle in Neuhaus“, erklärt Bacher, die bei ihren Lesungen zunächst immer ein Buch vorstellt, etwa „Die alte Johanna“ von Renate Welsh. „Ich lese kurze Passagen, zeige Gegenstände her, spiele Audiodateien vor oder baue Rätsel ein“, so die neue Büchereileiterin. „Es ist sehr berührend, wenn die Menschen aufmerksamer werden und auf Musik oder Geräusche reagieren.“
Von Click & Collect bis zum Überraschungspaket
Eine weitere Neuerung gab es während der Corona-Pandemie, die auch die Stadtbücherei Jennersdorf vor große Herausforderungen stellte – vom Einbahnstraßensystem in der Bibliothek über die Verkleinerung der Besuchergruppen bis hin zur Einführung von Click & Collect und der Lesung mit Maske. „Wir sind sehr kreativ“, erinnert sich Helene Petz an die hübsch dekorierten Überraschungssackerl, die das Büchereiteam den Leser:innen in Zeiten der Kontaktbeschränkungen packte und die immer noch recht beliebt sind. Darin liegen dann beispielsweise fünf oder sechs Kinder- und Jugendbücher, Romane oder Krimis und das eine oder andere Burgenlandbuch. „Wir haben viele begeisterte Rückmeldungen bekommen“, so Helene Petz, die ab jetzt ehrenamtlich in der Bücherei tätig sein wird. „Durch die Überraschungssackerln haben unsere Leserinnen und Leser immer wieder Bücher entdeckt, die sie sonst nie ausgeliehen hätten.“
Dass die Stadtbücherei Jennersdorf die schwierige Zeit so gut überstanden hat, liegt wohl auch am engen Zusammenhalt der Mitarbeiter:innen. „Wir haben hier ein super Team, das immer bereit ist, unsere Arbeit zu unterstützen“, sagt Michaela Bacher. So ähnlich empfindet es Helene Petz: „Was ich so schätze, ist die gute Zusammenarbeit innerhalb des Teams. Es gibt in der Bücherei so viele kreative Köpfe und jeder hat immer irgendwelche Ideen, wie man etwas besser machen kann.“
Von der Gegenwart in die Zukunft
Selbst wenn die neue Büchereileiterin vermutlich nach und nach eigene Akzente setzen wird, bleibt zunächst einmal alles beim Alten. „Ich bin froh, dass ich hier sein und die Bücherei so geordnet übernehmen darf“, erklärt Michaela Bacher: „Meine Vorgängerinnen haben alles so toll aufgebaut, dass ich die Veranstaltungen sicher erst einmal weiterführen werde. Aber wir sind ja alle kreative Köpfe und die Ideen gehen uns sicher nicht aus.“ Helene Petz wiederum geht zwar mit „einem lachenden und einem weinenden Auge“, aber auch sie blickt optimistisch in die Zukunft: „Ich schließe das Buch nicht, sondern ich blättere um und öffne ein neues Kapitel.“
Dazu hat sie auch allen Grund, wenn sie an die Stadtbücherei Jennersdorf denkt: „Das Besondere an unserer Bücherei ist die Vielfalt, die wir anbieten“, so Helene Petz. Vor allem aber: „Unsere Bücherei ist ein Wohlfühlort, eine Art Wohnzimmer. Das merken schon die kleinen Kinder, die sich bereits nach ein paar Besuchen bei uns wie zu Hause fühlen.“ Und das klingt doch gut!