Wisser, Daniel - Smart City
Veröffentlicht am 13.11.2025
Drängende Gegenwarts- und Zukunftsfragen in einem österreichischen Polit-Thriller.
Anspruchsvolle Polit-Thriller gehören in Österreich nicht gerade zum vertrauten literarischen Terrain. Was im angelsächsischen Raum längst eine feste Größe ist – gesellschafts- und politikkritische Fiktion mit literarischem Anspruch –, bleibt hierzulande eine eher selten gepflegte Gattung. Umso bemerkenswerter ist es, wenn ein Autor dieses Feld betritt, um es mit eigener Handschrift zu gestalten. Genau das tut Daniel Wisser mit seinem neuen Roman „Smart City“.
In der planmäßig auf der grünen Wiese stromabwärts von Wien errichteten Kleinstadt NEUDA scheinen die Träume unserer saturierten Wohlstandsgesellschaft in Erfüllung gegangen zu sein: saubere Umwelt, keine Fremden, reibungslose Mobilität und umfassende Sicherheit. Nach der bislang ungeklärten, brutalen Ermordung ihrer Tochter und ihres Mannes zieht die Journalistin Morag Oliphant in diese vermeintlich perfekte Smart City. Dort tritt sie eine Stelle bei der Lokalzeitung „Timeline“ an und hofft nach den traumatischen Erlebnissen auf einen gelingenden Neuanfang.
Doch bald entdeckt sie die Kehrseiten der Hochglanzidylle: totale Überwachung der Bewohner:innen, Ausbeutung der außerstädtischen Umlandregionen und die unkontrollierte Macht eines Großkonzerns im Zusammenspiel mit politischen Eliten. Gemeinsam mit drei Kolleginnen aus der Redaktion beginnt Morag Oliphant, den Missständen in der Stadt nachzugehen. Dabei kommt sie unerwartet auch den Mördern ihrer Angehörigen und deren hochrangigen Hintermännern auf die Spur und muss nun wohl auch um ihr eigenes Leben fürchten.
Besonders positiv hervorzuheben ist, dass Wisser in „Smart City“ drängende Gegenwarts- und Zukunftsfragen in eine klare, präzise Sprache fasst. Die in die Erzählung eingeflochtenen „Verhörprotokolle“ stellen durch diese dokumentarische Rahmung eine zusätzliche Spannungsebene dar. Etwas störend wirkt mitunter die fast penetrante Wiederholung zentraler Botschaften, etwa zur Gefährdung demokratischer Strukturen oder feministischer Anliegen. Auch wenn man inhaltlich ganz bei Wisser ist, mindert diese didaktische Nachdrücklichkeit stellenweise die Lesefreude.
Daniel Wisser gelingt mit „Smart City“ dennoch ein seltener Balanceakt: ein intelligenter, politisch wacher Roman, der zeigt, dass engagierte Literatur aus Österreich sehr wohl Spannung, Haltung und stilistische Originalität vereinen kann.
Gerald Wödl
Wisser, Daniel - Smart City
Roman. München: Luchterhand 2025. 416 S. fest geb. : € 26,95 (DR) ISBN 978-3-630-87709-9

