Wittstock, Uwe - Karl Marx in Algier

Veröffentlicht am 31.07.2025
Leben und letzte Reise eines Revolutionärs.
Im Februar 1882 hat der 64-jährige Karl Marx das erste Mal Europa verlassen. Er wird im Hafen von Algier zwar von einem einstigen sozialistischen Untergrundkämpfer empfangen, doch seine Reise hat nichts mit politischem Kampf zu tun, sondern ist sozusagen „privat“. Er ist krank und hofft auf Genesung in Algier. Es ist auch seine letzte Reise.
Uwe Wittstock schildert einfallsreich (und fiktiv, wiewohl anhand von bislang teilweise unveröffentlichten Quellen) diese Monate in Algier. Während der alte deutsche Philosoph die Eindrücke einer ihm neuen Kultur durchaus angenehm auf sich wirken lässt, zieht er eine Art Bilanz seines Lebens und Wirkens.
Es ist erst drei Monate her, dass seine geliebte Frau Jenny gestorben ist. Ihren Tod kann er verständlicherweise nicht verwinden. Geschickt beleuchtet Wittstock die Lebensstationen des oft hochgelobten und ebenso oft verdammten Denkers: die Studienjahre in Bonn und Berlin, seine frühen literarischen Ambitionen, seine Rolle im Revolutionsjahr 1848, das lange Exil, die Jahre in Armut.
Uwe Wittstock wechselt dabei gekonnt zwischen Biografie und Erzählung, und erklärt quasi nebenbei die wichtigsten philosophischen Ideen dieser Zeit. Er begleitet Karl Marx in eine postkoloniale, islamisch geprägte Gesellschaft im Umbruch. Dort wird er mit sozialen Realitäten konfrontiert, die seine Theorien nicht vorhergesehen haben: Identitätspolitik, religiösem Fundamentalismus, Migration, der Krise der Arbeitsgesellschaft. Das wunderbare, kluge Buch ist die überarbeitete Fassung von „Karl Marx beim Barbier. Leben und letzte Reise eines deutschen Revolutionärs“ aus dem Jahr 2018.
Peter Klein
Wittstock, Uwe - Karl Marx in Algier
Leben und letzte Reise eines Revolutionärs. München: Beck 2025. 249 S. - fest geb. : € 27,50 (BI) ISBN 978-3-406-83072-3