Wollschläger, Hans - Briefe

Wollschläger, Hans - Briefe

Veröffentlicht am 17.04.2023

1988-2007

Hans Wollschlägers Briefe sind ein essenzieller Teil seines Fragment gebliebenen schriftstellerischen Gesamtwerks. Der klug zusammengestellte Band enthält eine erste umfangreiche Auswahl aus Briefen der letzten zwanzig Lebensjahre Wollschlägers. Im Mittelpunkt stehen naturgemäß seine Projekte in den Jahren 1988 bis 2007, die er mit großer Leidenschaft und akribisch recherchierend verfolgt: also die Historisch-kritische Ausgabe der Werke Karl Mays, die Edition der Werke Friedrich Rückerts, die Verwaltung und Organisation seiner eigenen Werke, Schriften und Übersetzungen der 70er und 80er Jahre und (ab Ende der 90er Jahre) seine unablässigen, doch leider nicht wirklich belohnten Bemühungen um eine Sammlung der eigenen Arbeiten.

Es ist beeindruckend, welche Kontakte Wollschläger zu Verlagen, Kritikern und Kollegen pflegte. Man erfährt von Wollschlägers ganz eigenem Verhältnis zu Arno Schmidt: Wollschläger hielt Schmidt für den „bedeutendsten lebenden“ Schriftsteller, ließ sich von dessen kritischem Ansatz beeinflussen, erkannte aber auch, dass Schmidt absolut schamlos Einfälle und Witze, die Wollschläger bei gemeinsamen Treffen äußerte, literarisch verarbeitete. Doch Wollschläger begegnete Schmidt, der sich immer mehr in ein „trotzig-versponnenes Abseits“ zurückzog, voller Wohlwollen und Nachsicht.

Hans Wollschläger hat letztlich, in den engagierten Bemühungen für andere (von Karl May, Edgar Allan Poe, Raymond Chandler, James Joyce, Arno Schmidt und Friedrich Rückert), denen er mit seinen Editionen und Übersetzungen zu Erfolgen verhalf, sein eigenes Schaffen sträflich vernachlässigt. Ein Torso davon erschien schließlich zuerst bei Haffmans und nun im Wallstein Verlag, der auch diese schöne Ausgabe der Briefe herausbrachte. Ihr Duktus erinnert zuweilen auch an die wunderbaren Briefe Thomas Bernhards, etwa bei einer großen Preisverleihung an ihn: „Die Verleihung in München fand in einem sehr kontrastreichen Ambiente statt, nämlich im Cuvilliés-Theater vor etwa 600 staatstragenden Beamten. Ich lege Ihnen die Rede bei, die ich gehalten habe –: der Beifall war eisige drei Sekunden lang, und das nicht nur, weil sie den Gang zum Buffet um 25 Minuten verzögert hatte; der Finanzminister Faltlhauser, neben mir in der ersten Reihe plaziert, blickte glasig durch mich hindurch, als ich auf meinen Platz zurückging, und rührte keine Hand.“

In den Briefen an Freunde und Kollegen dieses Buch präsentiert sich der herausragende Autor und Stilist Hans Wollschläger wohl am komplettesten. So klagt der Übersetzer und Schriftsteller darin über die ein Übermaß an Zeit verschlingenden Leseverpflichtungen, den häufiger werdenden schlechten Stil und ausbleibende Honorarzahlungen, er pflegt und kommentiert durchaus eitel selbstgewiss seinen eigenen Ruhm und besingt die Schriftstellerexistenz in den niedersten Niederungen in wunderbar geschlungenen Sätzen. Der Leser kann hier aufs Schönste nachvollziehen, wie sich die „göttliche Literatur“ gegen die Dummheit wenn schon nicht behauptet, so doch immerhin tapfer kämpft.

Georg Pichler

Wollschläger, Hans - Briefe
1988-2007 Hg. von Thomas Körber. Göttingen: Wallstein 2022. 524 S. - fest geb. : € 39,10 (BB) ISBN 978-3-8353-5222-3

Für meine Bücherei kaufen

Als Privatperson kaufen